Chaosprinz Band 1
Personen. Ich war so sehr auf Bettina fixiert und darauf, ihre Einrichtung nicht zu zerstören, dass ich mich auf nichts anderes konzentrieren konnte.
Auf dem kleineren Sofa mir gegenüber sitzt ein Paar, das etwa in Joachims und Bettinas Alter sein muss. Sie, eine attraktive Brünette, in einem schlichten gelben Sommerkleid, er, schon etwas grau, mit einem treuen, freundlichen Blick und einer randlosen Brille auf der Nase.
»Tobias, das sind unsere Freunde, Dr. Matthias Eichel und seine Frau Jasmin.«
Die beiden lächeln mich freundlich an. Ich stehe auf und reiche ihnen die Hand. Sie scheinen über den Grund meiner Anwesenheit Bescheid zu wissen, denn ich kann eine gewisse Neugierde in ihren Blicken erkennen.
»Und hier haben wir Elena, unser Au-pair Mädchen. Elena, Tobias Ullmann.« Deutlich weniger herzlich spricht Bettina mit dem pummeligen Mädchen, das neben ihr auf dem langen Sofa sitzt.
Ich muss gestehen, ich hätte sie beinahe übersehen. So wie sie da auf dem Sofa sitzt, könnte man denken, sie will sich zwischen den Kissen verstecken. Ihre langen, schwarzen Haare hängen schlaff herunter, die Augen sind etwas gerötet und der dicke Pulli scheint viel zu warm für diese Jahreszeit.
Ich lächle ihr zu und strecke ihr meine Hand entgegen. Sie schaut mich an, wird im selben Augenblick knallrot und berührt meine Finger mit ihren. Ihr Händedruck ist schwach und feucht. Ich lächle noch einmal aufmunternd, ehe ich mich wieder setze.
»Ach ja, und diese beiden dürfen wir natürlich nicht vergessen. Tobias, das sind deine Geschwister Tim und Emma.«
Sie sitzen zwischen ihrer Mutter und Elena und schauen mich aus großen Augen an. Emmas blonde Locken fallen ihr locker über die Schultern. Für ihre fünf Jahre ist sie sehr klein und zierlich, doch ich finde sie einfach nur entzückend. Genau wie ihre Mutter hat sie graue Augen, die mich ernst und konzentriert beobachten.
Auch Tim blickt zu mir. Ich habe das Gefühl, ein Fotoalbum aufgeschlagen zu haben und eins meiner alten Kinderbilder zu betrachten. Der kleine Junge mit den dunkelbraunen Haaren und den braunen Augen sieht mir wirklich sehr ähnlich. Schüchtern senkt er den Blick, als er mein Staunen bemerkt, und streicht sich mit der linken Hand über den rechten Arm, der in einem weißen Gips steckt.
»Wie geht's dir denn, Timmy?« Es ist Alex, der meine Frage ausspricht, während er mir ein Glas Wasser unter die Nase hält.
Ein bisschen beleidigt, weil er mich dabei nicht einmal anschaut, nehme ich das Glas entgegen. Alex umrundet die große Couch, beugt sich von hinten über die Lehne und kitzelt den kleinen Jungen im Nacken. Tim wirft seinen Kopf nach hinten und quietscht vergnügt.
»Ich glaube, das bekommen wir wieder hin. Timmy ist sehr tapfer und ein starker Junge, nicht wahr, Timmy?« Dr. Eichel lächelt Timmy an und nickt dann seiner Mutter überzeugt zu.
»Matthias ist Kinderarzt und hat Timmy untersucht, bevor wir ihn ins Krankenhaus gebracht haben«, erklärt Joachim.
»Wie ist das denn passiert?«, frage ich schüchtern.
»Ich bin von der Schaukel gefallen«, antwortet Timmy ernst.
»Ach, Timmy, so was kann mal passieren. Du hast doch jetzt keine Angst vorm Schaukeln, oder?« Alex streicht seinem kleinen Bruder durch die dunkelbraunen Haare und ignoriert den missbilligenden Blick seiner Mutter.
Wie zärtlich er zu dem Kleinen ist. Kälte und Spott sind aus den sturmgrauen Augen und der dunklen Stimme verschwunden. In seinem Gesicht spiegelt sich die Liebe für den kleinen Bruder wider. So sanft und warm…
Er muss meinen Blick gespürt haben, denn plötzlich hebt er den Kopf, richtet sich wieder auf und reckt das Kinn nach vorne. Die Gesichtsmuskeln angespannt, schaut er mich herausfordernd an. Verwirrt schlage ich die Augen nieder und nippe an meinem Wasser.
Dieser Typ ist so seltsam, so widersprüchlich. Ich kann ihn einfach nicht einschätzen und dennoch… Ich weiß nicht, wo dieses Gefühl herkommt und wie es heißt, aber ich würde ihm am liebsten nicht mehr von der Seite weichen… wie albern…
»Für uns wird es dann langsam auch mal Zeit.« Dr. Matthias Soundso deutet auf seine Armbanduhr. Als wäre das der lang ersehnte Startschuss, springen fast alle gleichzeitig auf. Ich stelle mein Glas auf dem Glastisch ab und hoffe, dass es keine Wasserränder auf der Oberfläche geben wird.
Das Ehepaar Doktor wird von Bettina und Joachim zur Tür begleitet und Elena bekommt den Auftrag, Timmy und Emma ins Bett zu bringen.
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