Chaosprinz Band 1
mich auch Santa Claus nennen, wenn es dich glücklich macht, Bambi. Mir doch scheißegal.«
»Okay, Santa…«
»Übertreib es nicht, Bambi!«
»Gib mir 'nen Tipp.«
»Was? Willst du Lotto spielen oder was?«
»Gib mir einen Tipp, wie ich mich verhalten soll… da drinnen… Ich meine, ich kenne meinen Vater nicht und deine Mutter schon gar nicht… Gibt's irgendwas, das ich nicht sagen darf oder das sie gerne hören wollen oder so?«
Alex streicht sich die blonden Haare aus der Stirn. Ich habe nun freien Blick auf sein hübsches Gesicht. Die helle, reine Haut, die schwarzen, wohlgeformten Augenbrauen, die er momentan genervt nach oben gezogen hat, und seine schönen Lippen… Die würde ich gerne mal küssen!
Was? Oh, Tobi, diese Gedanken müssen sofort aufhören! Stopp!
»Ich werde dir keine Tipps geben. Ich mische mich da nicht ein, denn es ist mir…«
»… scheißegal.«
Er sieht mich wieder an und muss dann grinsen. Es ist das erste Mal, seit wir uns begegnet sind, und… es haut mich einfach um. Wenn er lacht, blitzen die geraden, weißen Zähne auf und er sieht einfach zum Knuddeln aus.
»Du lernst schnell, Bambi.«
Ich kann nicht anders und strahle ihn an.
Ein Klopfen neben meinem Kopf lässt mich zusammenfahren. Oh Gott, ich glaube, mein Herz ist gerade stehen geblieben. Ich fahre herum und blicke in das Gesicht eines blonden Mädchens, das wütend ihre Nase an die Fensterscheibe drückt. Alex stöhnt und öffnet die Fahrertür. Vorsichtig mache ich es ihm nach und steige aus dem Wagen. Das Mädchen hat ihre Hände in die Hüften gestemmt und funkelt Alex wütend an.
»Wo warst du? Mom und Dad sind fast durchgedreht. Du hättest ruhig mal anrufen können, jetzt musste ich mir die ganze Zeit über ihr hysterisches Gelaber anhören.«
Aha, ich kombiniere: Wenn sie mit Alex über Mom und Dad spricht, muss sie wohl seine Schwester Maria sein.
Alex reagiert überhaupt nicht auf ihre Vorwürfe, holt mein Gepäck aus dem Kofferraum und geht dann an uns vorbei in Richtung Haus. Motzend läuft ihm Maria hinterher. Ihre blonden, hüftlangen Haare leuchten im Schein der Straßenlaterne. Sie ist wirklich hübsch und sieht ihrem Bruder unheimlich ähnlich.
Die Gemeinsamkeiten scheinen über das Äußerliche hinauszugehen – sie ist offensichtlich genauso arrogant und überheblich wie er. Maria ignoriert mich gekonnt und Alex scheint es nicht für nötig zu halten, mich seiner Schwester vorzustellen. So trotte ich, meinen Koffer schleppend, hinter den beiden her und frage mich ernsthaft, wo ich hier nur gelandet bin.
Ich meine, gut, dass mich die Geschwister nicht mit Handkuss und Freudentänzen begrüßen würden, ist ja zu erwarten gewesen, aber warum zum Teufel diese feindselige Ablehnung? Sie kennen mich doch gar nicht.
»Wie geht es Tim?« fragt Alex seine Schwester plötzlich und unterbricht ihren Redeschwall. Wir stehen vor der verglasten Eingangstür.
»Ach, dem geht's schon besser. Sein Arm ist gebrochen, aber es ist nicht so schlimm, wie es zu Beginn aussah. Er muss einen Gips tragen, da hat er ganz schön gejammert, aber als Dad ihm dann einen Hamster gekauft hat, sah die Welt schon wieder ganz anders aus.«
Moment mal, Tim? Ist das nicht mein kleiner Halbbruder? Haben sie deshalb vergessen, mich vom Bahnhof abzuholen, weil sich der Kleine den Arm gebrochen hat? Ich bekomme gleich ein ganz schlechtes Gewissen…
»Was ist denn passiert?«, traue ich mich, leise zu fragen, und schaue dabei Maria an. Ihre Augen sind genauso grau wie Alex', aber irgendwie leerer. In diesem Moment wird mir klar: Mit meiner Stiefschwester werde ich niemals bei einer heißen Tasse Kakao im Wohnzimmer sitzen und über Jungs quatschen. Vielleicht ruf ich sie mal an, wenn ich eine Leiche verschwinden lassen will und dabei Hilfe brauche.
Sie mustert mich und macht dabei ein Gesicht, als würde mir ein zweiter Kopf aus der Schulter wachsen.
»Ach Gottchen, wo bleiben nur meine Manieren? Maria, das ist Tobias, unser neuer Bruder, den wir sehr, sehr lieb haben werden.« Alex' Stimme trieft vor Spott. Ich weiß wieder mal nicht, wie ich mich verhalten soll, und ignoriere seinen Kommentar lieber.
Höflich strecke ich Maria meine rechte Hand hin. »Hi, ich bin Tobi. Schön, dich kennenzulernen.«
Sie verdreht die Augen und öffnet die Haustür.
»Wie auch immer… Ich bin in meinem Zimmer, falls Mom oder Dad fragen. Ich halte heute nicht noch mehr Dramen aus.« Theatralisch macht sie auf dem Absatz kehrt und
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