Chaosprinz Band 1
Bevor er aus dem Raum verschwindet, steckt Dad noch einmal seinen Kopf herein und bittet Alex, mir doch schon mal mein Zimmer zu zeigen.
»Ich komme gleich nach.«
Ohne einen Kommentar geht Alex voraus und ich folge ihm so schnell ich kann. Er geht nicht zurück in die Eingangshalle, sondern durchquert den Wohnbereich und führt mich in den angrenzenden Raum.
»Esszimmer.« Er deutet auf die riesengroße Tafel, an der mindestens zwölf Stühle stehen. Im Eilschritt geht's durch die nächste Tür. »Küche.«
Ach, sag bloß, da wäre ich ohne fremde Hilfe nicht drauf gekommen. Ich dachte schon, die graue Arbeitsfläche aus Chrom und der riesige Gasherd wären mein neues Bettchen…
Ich renne Alex die Treppe hinterher, die von der Küche aus in den ersten Stock führt. Mehr als einen langen Flur bekomme ich aber nicht zu sehen. »Schlafzimmer von Mom und Dad, Kinderzimmer von Tim und Emma.« Mit diesen Worten deutet Alex den Flur entlang und erklimmt auch schon die nächste Treppe. »Marias, Elenas und mein Zimmer sowie ein Gästezimmer.«
Auch vom zweiten Stock bekomme ich nicht mehr als einen langen Flur mit hellem Teppichboden zu sehen. Oje, ich glaube nicht, dass ich mich hier jemals zurecht finden werde, alles ist so groß und sieht so gleich aus.
Wir stehen vor einer hellen Holztür. »Mein Zimmer?«
»So ähnlich.« Er grinst und geht wieder voran. Hinter der Tür befindet sich ein weiterer kleiner Flur und eine Treppe führt ins dritte Stockwerk des Hauses. Hier gibt es keinen Teppichboden, alles sieht viel dunkler und unbewohnter aus. Ich bin mir fast sicher, dass Bettina diesen Teil des Hauses ihren Gästen bei den Führungen nicht zeigt.
Wir steigen die Treppe nach oben. Sie ist steil und staubig. Die Tür am Ende der Stufen könnte man eher als Bodenluke bezeichnen. Ich klettere hinter Alex in den Raum und schaue mich erstaunt um.
Unweigerlich muss ich an Cinderella denken. Ihre Dachkammer könnte meiner neuen Behausung ohne weiteres Konkurrenz machen. Ja, verdammt, es scheint sich nicht leugnen zu lassen: Ich bin das Aschenputtel der Familie.
»Und dabei stelle ich mir gläserne Schuhe total unbequem vor…«
» Was? « Alex sieht mich verwirrt an und ich beiße mir vor Wut auf die Unterlippe. Ich kann es einfach nicht lassen. Warum muss ich meine verqueren Fantasien auch immer laut aussprechen…?
»Äh, nix. Schön hier«, lüge ich und schaue mich planlos um. Der Raum befindet sich direkt unter dem Dach. Er ist recht groß und ziemlich vollgestellt mit altem Gerümpel. In einer Ecke kann ich auch meine Kisten erkennen. Die Umzugsfirma hat sie vor ein paar Tagen hierher gebracht.
»Momentan sieht alles noch etwas chaotisch aus, aber wenn wir erst einmal die Kisten weggeräumt und dir neue Möbel gekauft haben, dann wird es dir hier bestimmt gefallen. Nebenan hast du sogar ein eigenes, kleines Badezimmer.« Mein Vater streckt seinen Kopf durch die Bodenluke. Er klettert herauf und wischt sich den Staub von den Hosen. Mein Gepäck hat er auch mitgebracht.
»Wenn du willst, können wir morgen gleich losfahren und dir ein neues Bett kaufen. Bis dahin musst du leider auf dieser Luftmatratze schlafen.«
»Das ist doch kein Problem.« Ich lächle ihn an. Die Vorstellung, am nächsten Tag gemeinsam mit meinem Vater einkaufen zu gehen, erfüllt mich mit Freude. So können wir uns besser kennenlernen, er erzählt mir Geschichten aus seiner Kindheit und bald schon gehen wir zusammen Angeln oder Zelten oder was Vater und Sohn so alles miteinander machen… Weiß ich ja nicht, ich hatte ja keinen Vater…
Oh ja, wenn wir Zelten gehen, nehmen wir Alex mit. Wir teilen uns dann zu zweit ein Zelt und wenn es dann nachts so kalt und gruselig wird, klettere ich zu ihm in den Schlafsack und dann… Ups, ich glaube, meine Fantasie hat sich gerade etwas selbstständig gemacht. Ich bekomme schon wieder einen roten Kopf und spüre die misstrauischen Blicke von Alex und meinem Vater im Rücken.
»Kein Problem«, wiederhole ich schnell, nur um etwas zu sagen.
»Also gut.« Joachim hat die Hände in die Hüften gestemmt und schaut sich prüfend im Raum um. »Wenn du noch etwas brauchst, dann melde dich bitte, ansonsten wünsche ich dir eine gute Nacht und bis morgen.«
Wir lächeln uns unsicher an und dann ist er auch schon wieder im Boden verschwunden. Alex kramt derweilen in einer von meinen Kisten. Scheinbar hat er die CDs entdeckt, von denen ich eine ganze Menge besitze, denn er hält das Album Pablo Honey
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