Chaosprinz Band 1
verschwindet mit wehenden Haaren im Inneren des Hauses.
»Nett«, murmle ich.
»Sie ist ein Aas.«
Ich sehe Alex an. »Seid ihr alle so?«
Er antwortet nicht, nimmt stattdessen lieber eine Zigarette aus der Schachtel und zündet sie an. Tief inhaliert er den Rauch und bläst ihn dann wieder aus. Ratlos trete ich von einem Bein aufs andere. Ich weiß nicht, was ich tun soll. Reingehen? Meine Hände sind schon wieder feucht und der Stein in meinem Magen hat sich mittlerweile vermehrt und lauter kleine Babysteinchen bekommen. Da bleibe ich lieber hier draußen bei Alex. Er ist mir gegenüber fies und zynisch, trotzdem will ich in seiner Nähe bleiben. Fuck, das ist doch verrückt.
»Was ist denn nun mit Tim?«, spreche ich erneut das Thema von eben an, nur um überhaupt etwas zu sagen und meine Gedanken von ihren gefährlichen Spuren abzulenken.
»Hat sich heute Mittag beim Spielen einen Arm gebrochen. Aber das sollen sie dir am besten selbst erzählen.«
»Okay, gut.«
»Du kannst auch schon reingehen.«
»Kommst du nicht mit?« Es soll wie eine lässige Frage klingen, kommt aber unheimlich verzweifelt und fast flehend rüber.
Er dreht seinen Kopf etwas zur Seite, trotzdem kann ich das Grinsen auf seinen Lippen nur allzu deutlichen erkennen. »Ich rauch nur noch meine Zigarette zu Ende.«
»Ja, kein Problem, ich warte.«
Er sieht mich an. Sein Blick lässt mich rot anlaufen. Himmel, guck nicht so, ich flehe dich an, ich weiß einfach nicht, wie ich darauf reagieren soll…
»Da seid ihr ja endlich! Warum kommt ihr denn nicht rein? Wir warten schon eine halbe Ewigkeit.«
Erschrocken drehe ich mich um.
»Hallo, Tobias.«
In der Haustür steht mein Vater.
7. Kapitel
Happy Family
Er steht in der Tür. Die Arme lässig vor der Brust verschränkt, lehnt er am Rahmen und schaut mich an. Er ist sehr attraktiv, die Figur schlank und sportlich, die Gesichtszüge markant und freundlich und sein Lächeln äußerst charmant. Ja, wirklich attraktiv. Das dunkle, volle Haar, das er mir vererbt hat, trägt er kurz und modisch.
Doch außer dem braunen Haar und den dunklen Augen kann ich keine Ähnlichkeiten zwischen uns erkennen. Was uns im Moment verbindet, ist unsere Nervosität. Weder er noch ich wissen, wie wir uns verhalten sollen. Seit zwei Wochen denke ich intensiv über diesen Moment nach. Ich habe mir die unterschiedlichsten Szenarien ausgemalt, die alle mit einem Happy End geendet haben.
Und jetzt? Die wohlüberlegten Worte sind verschwunden, mein Hirn scheint völlig leergefegt zu sein. Ich kaue auf meiner Unterlippe herum, eine Eigenart, die mich schon seit der Kindergartenzeit verfolgt. Joachims Arme sind immer noch vor der Brust verschränkt. Sein Blick sucht Hilfe bei Alexander.
Die stumme Bitte wird ignoriert. Der Mistkerl zieht lieber entspannt an seiner Zigarette, anstatt uns aus dieser peinlichen Situation zu retten. Länger halte ich das Schweigen nicht mehr aus. Meine linke Hand umklammert den Griff des Koffers, die rechte strecke ich meinem Vater entgegen.
»Hallo, äh, ich freue mich, dass wir uns… äh, wiedersehen…«
Einige Sekunden starren wir uns einfach nur an, dann nimmt er meine Hand in seine und drückt zu.
»Ich finde es auch sehr schön.«
Ich muss schlucken. Diese Begrüßungszeremonie ist definitiv nicht so abgelaufen, wie ich es mir erträumt habe. Nach beinahe fünfzehn Jahren treffe ich meinen Vater wieder, den Mann, an den ich so wahnsinnig oft gedacht habe, dem ich so viele Fragen stellen wollte… Jetzt habe ich endlich die Gelegenheit dazu. Und auch wenn der Anfang etwas holprig gewesen ist, so kann es doch nur noch besser werden. In meinem Herzen macht sich eine zarte Hoffnung breit. Glücklich strahle ich ihn an. Unsere Hände halten sich immer noch fest.
»Joachim?« Der Ruf einer Frau beendet den gefühlsduseligen Moment. Er lässt mich los, dreht sich um und antwortet: »Wir sind hier draußen, Bettina.« Dann tritt er einen Schritt beiseite, um Alex und mich hereinzulassen.
Der äußere Schein des Hauses ist wirklich nicht trügerisch. Die Zieglers haben Geld und das zeigen sie auch. Marmorfliesen in der Eingangshalle und breite, verglaste Türen, die offenbar in den Wohnbereich führen.
Unwillkürlich muss ich an unser Haus in Hamburg denken, das im Vergleich hierzu eher an die Villa Kunterbunt erinnert hat. Doch hat mir unsere Villa Kunterbunt immer ein Gefühl von Heimat, von Zuhause vermittelt. Jedes Möbelstück, jeder Fleck auf dem Teppich hat seine
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