Chaosprinz Band 1
geschlichen und die Nächte sind nun recht kühl. Bibbernd schlinge ich die Arme um meinen Oberkörper. Ich hätte eine dickere Jacke anziehen sollen. Ich hole Marc ein, gehe nun eng neben ihm und lege meinen linken Arm um seine Hüften.
»Es ist wirklich alles okay?«, frage ich noch einmal.
»Ja, natürlich, warum glaubt mir das keiner?« Marc klingt sehr ungeduldig.
»Weil ich eben von mir ausgehe und ich würde, glaube ich, wahnsinnig werden, wenn ich den Kerl treffen würde, mit dem mein Freund –«
»Ja, schon kapiert«, unterbricht mich Marc zornig. »Die ganze Scheiße ist schon über zwei Jahre her, die Sache ist vorbei und vergessen.«
»Vorbei und vergessen…«, wiederhole ich tonlos.
Wir schweigen.
»Und du gehst jetzt mit Kim nach Hause?«
»Ich habe keine Lust, wieder mit dir darüber zu diskutieren«, sage ich sehr bissig. Nun bin ich es, der abblockt.
»Ich habe doch nur gefragt«, verteidigt sich Marc gereizt.
»Frag was anderes«, zicke ich.
»Okay! Wie geht es Alex?« Spott und Provokation liegen in seiner Stimme. Ich bleibe stehen.
»Marc, ich verstehe wirklich, dass es dir gerade schlecht geht, aber das ist noch lange kein Grund, deine Freunde zu verletzen.«
Er sieht mich an. Seufzend verdreht er die Augen, dann streckt er mir seine Hand entgegen. Ich lächle versöhnlich und nehme sein Angebot an. Hand in Hand gehen wir weiter. Vorsichtig betrachte ich Marcs Profil. Die schmalen Lippen fest aufeinandergepresst, die Stirn in Falten und seine dunklen Augen glänzen wie schwarze, runde Perlen…
»Findest du ihn schön?«
»Schön? Also, das ist ja wohl Geschmacksache, oder? Er ist attraktiv, aber mehr auch nicht.« Ich bin etwas überfordert und fühle mich alles andere als wohl in meiner Haut.
»Attraktiv? Und lieb?«, hakt Marc nach. Ich schwitze.
»Ähm, ja, lieb – für einen Lehrer. So habe ich das gemeint. Für einen Lehrer ist er wirklich nett, aber das war's auch schon…«
Marc bleibt wieder stehen. Wir schauen uns in die Augen. Er ist traurig. »Tobi, hör auf zu lügen. Du magst ihn sehr. Als du ihn das erste Mal gesehen hast, da warst du gleich begeistert von seiner warmen, menschlichen Art – und was hast du bei unserem ersten Treffen von mir gehalten?« Er seufzt.
Oooops, verdammt gutes Argument! Ich schwitze ein bisschen mehr. Was soll ich jetzt sagen? Du hast vollkommen recht, Marc. Als ich dich das erste Mal gesehen habe, habe ich dich für einen fiesen Spießer mit Stock im Arsch gehalten, der zum Lachen in den Keller geht und sogar seine Unterhosen bügelt… Nee, das lass ich lieber.
»Hey, mach dir nicht diese dummen Gedanken«, schimpfe ich streng. »Ja, Ben ist ein netter Kerl, aber du bist du. Wir mögen dich, weil du so bist, wie du bist. Niemand kümmert sich so liebevoll und fürsorglich um seine Freunde. Du bist ehrlich und hilfsbereit und hast immer recht. Glaub mir, ich weiß, wovon ich rede. Keiner von uns würde Ben dir vorziehen – und Manu schon dreimal nicht.«
Marc will etwas erwidern, einwerfen, entgegensetzen… Doch er lässt es und schaut einfach nur betreten auf den Boden. Ich wünschte, Ben wäre ein Arsch, ein arroganter Wichser, dumm, unfreundlich und ohne Charme – dann könnten wir ihn alle ganz einfach hassen. Als Marcs Freund ist es ja praktisch meine Pflicht, den ehemaligen Nebenbuhler zu verachten und zu ignorieren, doch wie soll das funktionieren?
Und dann ist da noch ein anderer Punkt, der mich nicht in Ruhe lässt und ständig in meinen Gedanken herumspukt. Bisher hatte Manus Affäre kein Gesicht und keinen Hintergrund. Es war Sex. Ein namenloser Kerl, ohne Charakter und Persönlichkeit, mit dem sich Manu für ein oder zwei Stündchen irgendwo vergnügt hat, um Frust abzubauen.
Doch nun… Ich kenne Manu… und Ben. Sie sind bestimmt nicht wie animalische, hirnlose Zombies übereinander hergefallen. Sie haben geredet, sich zugehört, sich verstanden. Das ganze Bild verändert sich…
Marc neben mir schweigt immer noch. Ob er an dasselbe denkt? Es muss ihn verrückt machen.
»Das ist so lange her…«, flüstere ich.
»Ja.«
»Eine alte Geschichte.«
»Ja.«
»Ist doch alles unwichtig…«
»Ja…«
Böse Geister…
Ein Auto kommt uns entgegengefahren. Die Scheinwerfer blinken kurz hell auf, begrüßen uns. Kim hält den Wagen am Straßenrand, lässt den Motor laufen und wir steigen ein. Auf der Fahrt sagt keiner mehr ein Wort.
***
Ich kann nicht mehr schlafen. Der Lärm von draußen, die Hitze hier
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