Chaosprinz Band 1
ein.
»Bitte sag nicht Sie zu mir. Hier… Das macht alles nur noch komischer… Ich heiße Ben…« Er versucht ein schwaches Lächeln. Ich erwidere es. Ben seufzt und rauft sich wieder die Haare. »Also gut… ähm, ich muss gestehen, ich hätte hier niemals mit Schülern gerechnet. Das ist ziemlich dumm und naiv, oder?« Er lacht freudlos.
»Ich weiß nicht.«
»Doch, ist es«, bestätigt er sich selbst. »Naja, jetzt kann ich das auch nicht mehr ändern, selbst Schuld.«
Ich sehe ihn an. Er wirkt wirklich verzweifelt.
»Herr Bau… Ben, ich werde es niemandem sagen. Von mir erfährt keiner etwas.« Es ist so seltsam, seinen Lehrer plötzlich zu duzen. Ernst sehe ich ihm in die Augen.
»Danke.« Er lächelt, wirklich glücklich scheint er aber nicht zu sein. Vielleicht hat er Angst, ich könnte ihn erpressen oder so. Ich kann seine Befürchtungen verstehen und nachvollziehen, doch ich weiß nicht, wie ich ihn von meiner Ehrlichkeit überzeugen soll. Schweigend stehen wir einander gegenüber.
»Die Situation im Unterricht wird jetzt wahrscheinlich ziemlich komisch sein. Das tut mir leid«, meint er schließlich.
»Ich habe dich schon vorher gemocht und das hat sich ja gerade nicht geändert – im Gegenteil! Ich denke nicht, dass ich mich im Unterricht unwohl fühlen werde.« Ich schenke ihm einen aufmunternden Blick. »Und ich hoffe, für dich wird es auch nicht so schlimm.«
Er nickt und lächelt erleichtert. »Oh Mann, das war gerade schon ein kleiner Schock!« Er fasst sich an die nackte Brust. »Ich bin heute das erste Mal seit einer kleinen Ewigkeit wieder hergekommen – ein Fehler!«
»Blödsinn, nur weil du Lehrer bist?« Kim schüttelt den Kopf. »Ich meine, schließlich bist du doch auch ein Mensch, oder?«
Ben grinst Kim dankbar an und nickt. »Stimmt, aber eben ein Mensch, der ganz schöne Probleme bekommen kann, wenn herauskommt, dass er schwul ist…«
»Denkst du das wirklich?«, frage ich ernst.
»Ja, oder was glaubst du, wie würden die Schüler reagieren, wenn sie davon erfahren würden? Von den Kollegen und Eltern will ich jetzt gar nicht erst anfangen…«
»Aber du bist sehr beliebt, irgendwie würde das schon funktionieren…« Ich versuche, ihm Mut zu machen.
»Na, ich will es lieber nicht ausprobieren.« Er lacht nervös und kratzt sich erneut am Kopf, dann deutet er in Richtung Bar. »Ein kleines Bier?«, fragt er schief grinsend.
»Wir sind gerade auf dem Heimweg, aber wir begleiten dich noch das Stückchen…«, sage ich.
Er nickt und geht voran, Kim und ich folgen. Mann, wer hätte mit so einer Begegnung gerechnet? Ich bin immer noch vollkommen baff. Dass Herr Baummann, mein freundlicher, netter Deutschlehrer, schwul ist und seine Freitagnächte in Lederhosen beim Abfeiern in angesagten Schwulenclubs verbringt, hätte ich nun wirklich nicht gedacht. Ich meine, er sieht umwerfend aus, ist noch jung und zudem einfach ein toller Kerl, ich wundere mich nicht, dass er gerne ausgeht und Spaß hat, aber… er ist eben doch ein Lehrer. Mein Lehrer! Wird er das auch in Zukunft sein? Kann ich ihn noch als Herrn Baummann wahrnehmen oder werde ich in Zukunft immer nur Ben in seinen Lederhosen vor mir sehen…?
Wir stehen vor der Bar. Ben winkt ein paar Typen, die nicht weit von uns entfernt auf Barhockern sitzen und trinken.
»Freunde von mir«, erklärt er kurz. Ich nicke. »Tobi… ähm, also, wenn wir uns am Montag sehen, dann…« Er seufzt überfordert.
»Bist du wieder Herr Baummann, mein Deutschlehrer.« Ich grinse unsicher.
»Danke!« Wir sehen uns in die Augen.
»Bis Montag«, sage ich und reiche ihm die Hand.
»Ja, bis dann.« Er schüttelt sie sanft.
»Hat mich gefreut, dich kennenzulernen.« Kim grinst und ergreift ebenfalls Bens Hand.
»Unter anderen Umständen wäre es mir lieber gewesen…«, gibt Ben lachend zu. Ich kann ihn sehr gut verstehen. Er dreht sich um und geht zu seinen Freunden.
»Oh mein Gott!«, hauche ich, als er außer Hörweite ist, und werfe mich in Kims Arme.
»Hübsche Überraschung, oder?« Kim grinst dreckig.
»Das ist eigentlich nicht witzig«, stöhne ich vollkommen fertig.
»Finde ich schon. Ich glaube, ich hätte mich halb totgelacht, wenn ich einen meiner Lehrer in einem Schwulenclub erwischt hätte…«
»Sahen deine Lehrer auch so gut aus?«, frage ich.
»Hey, er ist ganz attraktiv, aber kein Grund, um mir hier die Ohren vollzuschwärmen. Da werde ich ja glatt eifersüchtig.« Er zieht mich noch enger an sich. Wir sehen uns
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