Chaplins Katze, Clintons Kater
folgt das berühmte romantische Finale:
»Küss mich, mein Käuzchen,
küss mich aufs Schnäuzchen,
gleich macht der Herr Pfarrer
sein Kreuzchen!«
Leider, leider erlebte der arme Lear keine vergleichbaren romantischen Szenen. Die Psychobiografie des Nonsens würde sicherlich seine Gedichte als die Erfüllung des eigenen unerfüllten Heiratswunsches erklären. Zweimal machte er derselben jungen Frau einen Heiratsantrag, die er schon seit ihrer Kinderzeit kannte (»Kind« – dieses Zauberwort).
Zweimal lehnte sie ihn ab – unter anderem, weil er immerhin 46 Jahre älter war als sie. Aber er hatte keine romantischen Illusionen. »Als allein Stehender habe ich vielleicht nur wenige Vergnügungen«, schrieb er. »Aber wenn ich heirate, erwarten mich beinahe gewiss viele Risiken und Nöte.«
Lears Biografen weisen darauf hin, dass seine stärksten emotionalen Bindungen zu Männern waren. Und dann waren da noch Gesundheitsprobleme, Geldsorgen und das Gefühl der Einsamkeit ohne jegliche Illusion. Er beschrieb sich selbst als
»drei viertel verrückt – und vollkommen liebevoll«.
Kinder beteten ihn an und er sie. W. H. Auden (zwei von dessen sechs Katzen hießen Nerone und Rhadame, und er konnte in Sachen komplizierte Persönlichkeit sicher ein Wörtchen mitreden) hat vor sechzig Jahren ein Gedicht über Lear geschrieben. Darin bemerkte er zutreffend: »Kinder schwärmten hin zu ihm wie Siedler / Und er wurde Land.«
PAPST LEO XII. (1760-1829) wurde 1823 zum Papst gewählt.
Der Spross einer Adelsfamilie wurde auf Schloss Genga bei Spoleto geboren und auf den Namen Annibale della Genga getauft. Mit seiner Katzenliebe – vielleicht seiner einzigen Schwäche in späteren Lebensjahren – stand er in einer alten Kirchentradition. Auch andere geistliche Würdenträger, zum Beispiel Richelieu (siehe dort) und der Bischof von Taranto waren große Katzenfreunde.
Papst Leos Lieblingskatze zur Zeit seiner Papstwahl war Micetto, ein kleiner grauroter Kater mit schwarzen Streifen.
Oft kuschelte sich Micetto während der Gespräche mit anderen Würdenträgern in die weiten Gewänder des Papstes.
Der junge Annibale absolvierte seine Ausbildung in Rom, wurde 1783 zum Priester geweiht, war dann Privatsekretär von Papst Pius VI. und stieg in der Kirchenhierarchie auf. Man schickte ihn in päpstlicher Mission an die Höfe von Dresden, Wien und München und in viele andere Orte in ganz Europa.
Während der Umwälzungen der napoleonischen Zeit wurde Leo von den Franzosen wie ein Staatsgefangener behandelt und lebte in der Abtei von Monticelli, wo er sich mit Musik und Vogeljagd tröstete und zweifellos auch mit Katzen. Im Jahre 1814, ein Jahr vor Napoleons Rückkehr zur Macht für
»hundert Tage« (hier fassen wir mit leichter Hand viele Bände über die komplexe französische Geschichte und die Geschichte der Päpste zusammen), wurde Leo, der nun kurz vor seiner Ernennung zum Kardinal stand, dazu auserkoren, dem französischen König Ludwig XVIII. die Glückwünsche des Papstes zu überbringen.
Zur Zeit seiner Papstwahl im Jahre 1823 dachte man übrigens, er läge im Sterben, aber er erholte sich überraschend wieder. Zunächst hieß man den neuen Papst mit Jubel willkommen, der aber wegen Leos reaktionärer Politik und seiner Inquisitionsmethoden schon bald in Hass umschlug. Leo verdammte die Bibelgesellschaften, verfolgte die Freimaurer, und seine Ghettogesetze führten dazu, dass viele Juden auswanderten. Aber er senkte auch die Steuern, gründete Hospize und versuchte (vergeblich), die Finanzen zu sanieren.
Er war streng, arbeitete viel und pflegte selbst einen außerordentlich spartanischen Lebensstil.
Nach dem Tod Leos XII. wurde Micetto vom französischen Botschafter (und Schriftsteller) Chateaubriand adoptiert, der versuchte, dem Kater in weitaus weniger gehobenen Kreisen ein Heim zu geben. Chateaubriand schrieb über seine Verantwortung für die ehemalige Papstkatze: »Ich versuche ihn das Exil, die Sixtinische Kapelle, die Sonne auf Michelangelos Kuppel vergessen zu lassen, wo er früher oft herumspaziert ist, hoch über dem Erdboden.«
Bei einem derart romantisch veranlagten, engagierten und stilbewussten zweiten Lebensgefährten wie Chateaubriand ist es jammerschade, dass der Kater Micetto – wie die meisten Katzen – nicht in der Lage war, seine Memoiren zu schreiben.
Was für spannende Geschichten er wohl mit angehört hat, während er in den päpstlichen Gewändern verborgen war. All die Beichten
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