Chaplins Katze, Clintons Kater
Angst hatte, der Bär würde mich beißen. Ich sagte: »Lass mich los, ich werde ihn hypnotisieren.«… Und nach einer halben Minute begann der Bär zu gähnen, in weniger als drei Minuten lag er ausgestreckt am Boden und schlief tief und fest.
Einigen viktorianischen Memoiren zufolge waren ihre Beziehungen zu ihren menschlichen Verehrern oft
»stürmisch«. Waren die vielleicht schwerer zu hypnotisieren?
Oder hat sie sich einfach nicht die Mühe gemacht? Doch wenn es darauf ankam, waren ihre Umgangsformen tadellos. Eine ihrer vielen Biografien berichtet, dass die »Dame mit der Lampe« in ihren letzten Lebensjahren ihr Zimmer kaum noch verlassen hat – und ihre Katzen auch nicht. Als man ihr auf dem Sterbebett den Verdienstorden überreichte, waren ihre letzten Worte: »Zu freundlich – zu freundlich.«
EDGAR ALLAN POE (1809-1849), amerikanischer Dichter, Erfinder der Kriminalgeschichte, Literaturkritiker, Journalist.
Seine Schildpattkatze Catarina hat Poe, wie wir gleich sehen werden, in einen fiktiven schwarzen Kater verwandelt, der satanische und tödliche, aber gerechte Rache an einem betrunkenen, mörderischen Verrückten nahm.
Poe war ein selbstzerstörerisches Genie und hatte in seinem kurzen, unglücklichen Leben mehr Einfluss auf die europäische Literatur als jeder andere Amerikaner des 19.
Jahrhunderts. In der Alltagswelt fand sich der undisziplinierte Poe nie zurecht. Aber er war Vorläufer so unterschiedlicher Schriftsteller wie Oscar Wilde – auf dem Gebiet der unheimlichen Erzählung – und Arthur Conan Doyle (Erfinder des Sherlock Holmes) –, wenn es um überaus rationale, Meerschaumpfeife rauchende Detektive ging.
Poe wurde in Europa bereits hoch geschätzt, ehe er auch in Amerika populär wurde. Tennyson nannte ihn einen
»wahrhaftigen und originellen Dichter« und die französischen
»Dekadenten« nahmen ihn sich zum Vorbild. Baudelaire, der selbst ein großer Katzenliebhaber war, betrachtete ihn als
»Zauberer der unsterblichen Wahrheiten«, ebenso Mallarme (dessen Katze bezeichnenderweise nach Lillith, der Göttin der Nacht, benannt war).
Aber er hatte auch zahlreiche Kritiker, besonders in Amerika.
So bezeichnete ihn zum Beispiel Emerson abschätzig als
»Sprücheklopfer«. Es ist eben nicht leicht, ein literarischer Prophet im eigenen Lande zu sein (oder für seinen Lebensunterhalt zu schreiben). Darin gibt es durchaus Parallelen zwischen Poe und E.T.A. Hoffmann (siehe dort).
Tatsächlich wies schon vor hundert Jahren eine deutsche Enzyklopädie auf die stilistischen Ähnlichkeiten zwischen diesen beiden Katzenfreunden hin, insbesondere auf zwei Elemente, die im Werk beider Dichter vorherrschen: das Unheimliche und das Fantastische.
Catarina, die Schildpattkatze, kam als Kätzchen in den Haushalt von Poe und seiner sehr jungen Braut Virginia Clemm, die seine Cousine und auch die Tochter seiner Vermieterin war. Die beiden heirateten 1836. Virginia war deutlich jünger als Poe. Er hatte bereits einige literarische Erfolge erzielt, konnte aber wegen seiner angeschlagenen Gesundheit, seiner Trunk- und Spielsucht und seines verantwortungslosen Benehmens nicht einmal einen Redakteursposten über längere Zeit halten.
In den letzten Jahren ihres Ehelebens waren die beiden jungen Leute völlig verarmt. Virginia hatte Tuberkulose.
1842 brach sie zusammen und war bis zu ihrem Tod 1847
ans Bett gefesselt.
Bis dahin lag sie auf einem Strohlager, und nur der Mantel ihres Mannes – und die Katze Catarina – hielt sie noch warm.
Einen Freund, der die Poes in ihrer jämmerlichen Hütte in New York besuchte, beeindruckten der Anblick – und Catarina –
sehr: »Diese wunderbare Katze schien sich ihres großen Nutzens bewusst zu sein. Der Mantel und die Katze waren der Kranken einzige Wärmequelle, außer ihrem Mann, der ihr die Hand hielt, und ihrer Mutter, die ihr die Füße wärmte.«
In der Schauergeschichte ›Die schwarze Katze‹, die er 1843
schrieb, verwandelte Poe die menschenfreundliche Catarina in einen satanischen schwarzen Kater. Die Katze ist jetzt ein Kater namens Pluto – nach dem Herrscher des Hades benannt.
Man darf ihn auf keinen Fall mit dem komischen, dusseligen Hund Pluto von Walt Disney verwechseln, der ständig in Schwierigkeiten gerät. Poes Katzengeschichte ist nichts für Kinder (nicht einmal für Kinder von heute) oder für empfindsame Gemüter und noch nicht einmal etwas für Katzenhasser.
Zunächst einmal lebt der Erzähler in angenehmer und
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