Chaplins Katze, Clintons Kater
Menschentrubel und dem schändlichen Gewühle
Haben nie sich seine Wünsche in die Irre führen lassen.
Im kühlen, abgeschied’nen Tal des Lebens
Ging er stets mit leisen Schritten seiner Wege.
Und zum Schluss noch ein Schnipselchen aus einem Brief von Gray an Walpole: »Unter den Dichtern werde ich nur eine kleine Krabbe sein.«
HAROLD WILSON (1916-1995), von 1964-1970 und von 1974-1976 zweimal Premierminister von Großbritannien. Seine politische Heimat war die (ziemlich zerstrittene) Labour Party.
Zu seiner persönlichen Familie gehörte die viel geliebte Siamkatze der Wilsons. Sie hieß Nemo (ein schöner lateinischer Name, der »Niemand« bedeutet).
Mehrere andere Mitglieder des Labour-Kabinetts und auch einige Politiker der Opposition waren ebenfalls Katzenfreunde.
Katzen haben bekanntlich keine Probleme beim Überschreiten politischer Demarkationslinien.
Nemo war verzogen und privilegiert und genoss sein Leben auf dem wunderschön gepolsterten Sofa der Wilsons, wohlwollend betrachtet vom Premierminister, seiner Gedichte schreibenden Frau und den beiden gut aussehenden Söhnen.
Die anderen Labour-Katzen jener Zeit führten ein ebenso fürstliches Leben, was den italienischen Botschafter einmal zu dem Ausspruch veranlasste, wenn er sein Leben noch einmal leben könne, würde er gerne »in London Katze sein… oder in meinem Land Kardinal«. Allerdings hatten nicht alle Londoner Katzen das Glück, einem Labour-Minister zu gehören. Und der italienische Botschafter hatte wohl vergessen, welche Privilegien Katzen im Haushalt verschiedener Kardinale genossen (siehe Richelieu, Papst Leo XII.).
Wilson gehörte nie zum Proletariat. Er war Sohn eines Apothekers, ging in Oxford zur Universität, formte sich dort seinen Begriff von sozialer Gerechtigkeit und kletterte die Erfolgsleiter linker politischer Macht hinauf. Er hatte die Ereignisse im eigenen Land und in der Weltpolitik genau im Blick und kannte die Regierungspraxis aus dem Effeff.
Obwohl er als farblos galt, hatte er durchaus auch eine andere Seite. Er war für seinen Humor bekannt und hatte beste Beziehungen zu Filmemachern und Verlegern. Gegen den Willen der Opposition setzte er Adelstitel für P. G.
Woodehouse (dessen Katze Webster hieß) und Charlie Chaplin (siehe dort) durch. Und die Zionisten haben ihm seine Unterstützung für Israel nicht vergessen.
Die Geschichte ist mit Wilson nicht besonders nett umgegangen, weder was seine Aktivitäten bei internationalen Problemen anging, noch was die Rolle seiner Regierung bei der Verstaatlichung der Industrie anbetraf. Seine etwas wilderen Gegner beschuldigten ihn, ein »russischer Agent« zu sein, und die meisten anderen Probleme – Irlandfrage, Arbeitslosigkeit – machten ihm während seiner ganzen Karriere zu schaffen. Alles in allem wäre wohl für diesen Premierminister, den Nemo vom Sofa aus musterte, das passende Lied ›Nobody (außer Nemo) knows the trouble I’ve seen‹.
THOMAS WOLSEY (1472 oder 1473-1530), englischer Kardinal und Super-Staatsmann. Er soll bereits mit 14 Jahren seinen Universitätsabschluss in Oxford (B. A.) gemacht haben, ein nützlicher früher Start für den schnellen Aufstieg unter Heinrich VII. und Heinrich VIII. Ziel seiner Politik war, alle Macht um den Monarchen zu zentrieren und seine eigenen Funktionen und Titel mit ungeheurer Extravaganz und mit Pomp zu inszenieren. Er soll auch mindestens so viele uneheliche Kinder wie Heinrich VIII. gezeugt haben.
Wolsey war die treibende Kraft hinter der englischen Außen-und Finanzpolitik und war für Bündnisse und Kriege verantwortlich. Er wollte Papst werden und spielte eine entscheidende Rolle bei der Scheidung Heinrichs VIII. von seiner vierten Ehefrau, Katharina von Aragon (die vorhergehenden waren alle enthauptet worden). Auf dem Gipfel seiner Macht wurde Wolsey wegen Hochverrats verhaftet und starb als gebrochener Mann.
Was für eine perfekte Persönlichkeit für Katzenpräsenz auf allerhöchster Ebene! Die grenzenlose Zuneigung des Kardinals zu seiner Katze war in ganz England berühmt. Das Tier saß ihm immer auf dem Arm, ganz gleich welcher Würdenträger gerade kam, um dem allmächtigen Kardinal seine Reverenz zu erweisen, um ihm – und vielleicht der Katze? – kostbare Geschenke zu machen. Die Katze aß zu allen Mahlzeiten mit Wolsey (nur das Beste natürlich).
Ein geistreicher zeitgenössischer Beobachter, der venezianische Botschafter, schrieb in seinen Memoiren, die Katze sei so unglaublich
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