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Chaplins Katze, Clintons Kater

Chaplins Katze, Clintons Kater

Titel: Chaplins Katze, Clintons Kater Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helga Dudman
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Begeisterung für alles Exotische diente der Pekinese Looty.
    White Heather lag der Königin aber besonders am Herzen: Zu den letzten Jahren einer Monarchin passt vielleicht auch eine wohlerzogene Katze besser als ganze Rudel
    energiegeladener Pommeraner. Nach dem Tod Königin Viktorias genoss die Katze weiterhin königliche Pflege und als sie schließlich starb, betrauerte sie der neue Herrscher, Viktorias Sohn Eduard VII. aufrichtig.
    Die Tierliebe ist, wie wir wissen, in der britischen Königsfamilie erblich (wie natürlich auch die vielen Bediensteten, die ständig in den königlichen Gärten unterwegs sind und hinter der Menagerie sauber machen). Was die gegenwärtige Generation allerdings nicht geerbt zu haben scheint, ist die strenge Moral, die Treue und die Pflichterfüllung Königin Viktorias. Es könnte durchaus sein, dass ein geheimnisvoller Abglanz von White Heathers katzenhaftem Benehmen überhand nahm, als die Königin älter wurde.
    Interessant ist, dass die Britischen Inseln, die früher einmal für ihre weit verbreitete Hundebegeisterung bekannt waren, inzwischen auf Katzen umgeschwenkt sind. Die Hundezahl ist von 7,3 Millionen vor nicht allzu langer Zeit auf 6,8 Millionen gesunken, während die Katzen sich von 5,3 Millionen auf 7,3
    Millionen vermehrt haben.
    »Heute ist hier die Katze König«, wurde ein Tierarzt aus Cambridge kürzlich in der Londoner Presse zitiert. Es gibt also jetzt in England ein paar Millionen Könige, wo früher einmal eine einzige Königin einer ganzen Epoche ihren Namen lieh.

    HORACE WALPOLE (1717-1797). Schriftsteller, Reisender, Katzenbewunderer. Zu seinen Lieblingen gehörte eine Tigerkatze namens Selima. Sie ertrank, erlangte aber poetische Unsterblichkeit.
    Walpoles literarischer Ruhm beruht hauptsächlich auf seiner umfangreichen Korrespondenz mit Freunden. Er kannte viele Große seiner Zeit und schrieb ihnen zauberhafte Briefe. Sein veröffentlichter Briefwechsel mit der geistreichen Französin Madame de Deffand wurde sofort zu einem sensationellen Bestseller. Napoleon bat sogar um die Druckfahnen, um sie auf dem Feldzug nach Russland zu lesen. Einige Briefe Walpoles an Madame de Deffand wurden auf dessen Wunsch vernichtet.
    Was nun Selima, das Tigerkätzchen, angeht, die hat Walpoles Freund Thomas Gray in einer Elegie verewigt. Denn eines furchtbaren Tages vor zweieinhalb Jahrhunderten
    (wahrscheinlich 1747) ertrank sie in einem Goldfischteich, völlig in den Bann geschlagen von der möglichen Beute: Das sittsamste der Katzenkinder,
    Selima setzt’ sich grübelnd nieder,
    Und starrte auf den See dort unten.

    Steil reckte sie und freudig ihren Schwanz:
    Das runde Antlitz, ihr schneeweißer Bart,
    Die sammetweichen Pfoten,
    Das Fell, das Tigerstreifen trug,
    Die rabenschwarzen Ohren und das grüne Aug’,
    All das stand ihr vor Augen – und sie schnurrte wonniglich.

    Aber, o tragischer Augenblick! Was sah Selima? Zwei
    »Engelsgestalten«, die im Wasser vorüberglitten, einen verräterischen »goldenen Schimmer«. Und »es reckte sich die unglückselige Nymphe… streckte sich vergebens nach dem Preis«.

    Denn welches Frauenherz kann Gold verachten?
    Und welche Katze liebt nicht Fisch?

    Über Jahrhunderte hinweg haben die Leserinnen und Leser das Ende dieser armen Katze mitverfolgt. »Sie stürzt’ hinein.«
    Achtmal hat sie es fast geschafft, wieder herauszuklettern,
    »miaut’ zu jedem Wassergott / Ihr rasche Hilf zu schicken«.
    Aber es sollte nicht sein. Die Moral, die uns der Dichter deutlich vor Augen stellt, ist: Seid vorsichtig, all ihr schönen Geschöpfe, denn

    Nicht alles, was das wache Auge in Versuchung führt Und auch das mut’ge Herz, ist vom Gesetz als Preis erlaubt.
    Längst ist nicht alles Gold, was glänzt!

    Thomas Gray (1716-1771) schrieb das Gedicht über die Katze seines Freundes Walpole beinahe dreißig Jahre, nachdem die beiden in Eton Freundschaft geschlossen hatten, und sieben Jahre nach einem Zerwürfnis der beiden auf einer Italienreise.
    (Sie hatten sich schon wieder versöhnt, als Selima ertrank.) Der Katzenfreund Samuel Johnson (siehe dort) soll sich
    »herzlich über Gray mokiert haben«, weil er Walpoles Selima als »Nymphe« bezeichnete. Was für hohe Gefühlswogen doch die Katzen bei Englands großen toten Dichtern aufgepeitscht haben!
    Walpole gehörte der Aristokratie an – er war der vierte Graf von Oxford, Sohn eines wichtigen Staatsmannes. Gray war arm – eines von zwölf Kindern, von denen elf im Kleinkindesalter

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