Chaplins Katze, Clintons Kater
oder wild.«
Oder bedenken Sie seine ironische Kritik an Darwin. In dem überaus passend betitelten und viel zu wenig bekannten Buch
›The Damn Human Race‹ [Das verdammte
Menschengeschlecht] stellt Twain eine satirische
»wissenschaftliche Studie« an, um die Wesenszüge der Menschen mit denen der »so genannten niederen Tiere« zu vergleichen. Die Ergebnisse dieser »sorgfältigen Experimente«, die er über Monate hinweg im Londoner Zoo durchführte, waren für unsere Gattung höchst beschämend.
Denn während »Scheinheiligkeit, Neid, Boshaftigkeit, Grausamkeit, Rachsucht, Verführung, Vergewaltigung, Raub, Schwindelei, Brandstiftung, Bigamie, Ehebruch und die Unterdrückung und Entwürdigung der Armen und Hilflosen bei Menschen ziemlich regelmäßig vorkommen, ist dies bei Tieren nicht der Fall«. Twain geht die ganze Frage mit ironischem Humor an. Seine »sorgfältigen und erschöpfenden«
Beobachtungen des Tierverhaltens zwangen ihn zu seinem großen Bedauern dazu, »meine Zustimmung zu Darwins Theorie vom Aufstieg der Menschheit aus der Welt der niederen Tiere zurückzunehmen… und nun stattdessen eine neue und eher der Wahrheit entsprechende Theorie zu unterstützen, die wir den Abstieg der Menschheit von den höheren Tieren nennen wollen«.
Auf seinen unzähligen Reisen kam Twain auch in den Nahen Osten und lernte dort moslemische Bräuche kennen: Auch Hähne halten sich einen Harem, aber mit dem Einverständnis ihrer Konkubinen, und so geschieht niemandem Unrecht. Männer halten sich einen Harem, aber nur mithilfe brutaler Gewalt, privilegiert durch schreckliche Gesetze, bei deren Aufstellung das andere Geschlecht nicht mitwirken durfte. In dieser Beziehung stehen Männer folglich auf einer weit niedrigeren Stufe als Gockel.
Was nun Katzen betrifft, na ja, sie sind »von lockerer Moral, aber sich dessen nicht bewusst. Bei ihrem Abstieg vom Niveau der Katze hat die Menschheit die lockere Moral der Katze beibehalten, aber das Unbewusste aufgegeben – das Einzige, was einen mit der Katze noch versöhnt. Katzen sind unschuldig, der Mensch nicht.«
Nach diesem Sperrfeuer negativer Ansichten ist es nun wirklich Zeit, dass wir uns dem zauberhaften und positiven ›A Cat-Tale‹ zuwenden, das in ›Letters from Earth‹ [Briefe an die Erde] erschienen ist. In seiner kurzen Einleitung schreibt Twain:
Meine kleinen Mädchen – Susy (acht Jahre alt) und Clara (sechs) – bitten mich oft, ihnen zum Einschlafen abends Geschichten zu erfinden… Während ich rede, geben sie ihre Kommentare ab und stellen Fragen und wir haben ziemlich viel Spaß. Ich habe gedacht, dass vielleicht auch andere kleine Menschen einmal eines von meinen Schlafmitteln ausprobieren möchten – also biete ich dieses hier an.
Die Geschichte fängt damit an, dass Papa den Mädchen die Katze Catasauqua vorstellt, die in der Gegend lebte (damals in einer winzigen Stadt in Ost-Pennsylvania). Sie hatte keinen Nachnamen, weil sie eine schwanzlose Manx-Katze war. »Für eine Katze mit einem langen Schweif ist es nur gerecht und angemessen, einen Nachnamen zu haben, aber bei einer Manx-Katze wäre das pure Angeberei, ja sogar unehrenhaft.«
Wie viele lange Wörter dieser Twain seinen kleinen Mädchen vorsetzt! Dann stellt er Catasauquas Nachwuchs vor: Cattaraugus, den Ältesten, weiß, mit »hehren Prinzipien und einem reinen Herzen«; Catiline, den Jüngsten, schwarz,
»selbstsüchtig und niederträchtig, aufsässig und unaufrichtig…
der manchmal auch gewalttätig wurde«.
Nun geht es weiter. Catasauqua beschließt, ein neues Haus zu bauen und eine Versicherung für den Neubau abzuschließen,
»denn was diese Katze über Katallaktik nicht wusste, das zu lernen brauchten andere Katzen gar nicht erst zu versuchen«.
Clara: »Papa, was ist Katallaktik?«
Papa: »Das Wörterbuch erklärt uns, leicht verworren, dass es sich hierbei gewissermaßen um ein Halbsynonym für jene Wissenschaft handelt, die man gemeinhin als Volkswirtschaft bezeichnet.«
Clara: »Danke, Papa.«
Und so weiter und so fort, mit einer Unzahl von
Katzenwörtern und noch mehr Fragen von Seiten der artigen kleinen Mädchen.
Tragischerweise war Clara das einzige von Twains Kindern, das ihn überleben sollte. Sie wurde Sängerin und heiratete 1909 den russisch-jüdischen Pianisten und Dirigenten Osip Gabrilowitsch. Sie gab gemeinsam mit ihm Konzerte. 1928
wurde er Ko-Dirigent von Stokowski beim Philadelphia Orchestra, was uns wieder ins Land von Catasauqua
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