Charles
seine Finger im Spiel gehabt hatte.
„Ich hätte es dir sagen sollen.“
Charles versteifte sich unwillkürlich. „Da hast du verdammt Recht.“
„Ich gebe ja zu, dass ich mich nicht richtig verhalten habe. Aber spielt es denn tatsächlich eine Rolle, mit wem Lanni verwandt ist? Schließlich hat sie mit der Vergangenheit ihrer Familie nichts zu tun. Es ist nicht fair, sie aufgrund der Dinge, die Catherine getan hat, zu beurteilen – genauso wenig, wie es fair wäre, wenn sie dich für das, was Dad getan hat, verantwortlich machen würde.“
„Es gibt Dinge, von denen du überhaupt keine Ahnung hast!“ entgegnete Charles scharf, während er sich über die Stirn fuhr. Er wusste viel besser als Sawyer oder Christian, was Catherine Fletcher den O’Hallorans angetan hatte. Jedes Mal, wenn er Lanni ansah, würde er daran erinnert werden, dass sie eine Blutsverwandte von Catherine war.
„Wenn er so denkt“, sagte Christian zu Sawyer, „können wir auch nichts machen.“
Sawyer runzelte die Stirn. „Ich frage mich aber, ob er mit den Konsequenzen leben könnte.“
Charles warf seinen Brüdern einen Blick zu, mit dem er ihnen zu verstehen gab, dass sie sich zur Hölle scheren sollten.
„Ich verschwinde von hier“, verkündete er.
Sawyer und Christian wechselten einen Blick.
„Und ich möchte allein sein, verstanden?“ Charles hatte sich noch nie in seinem Leben sinnlos betrunken. Doch irgendwann war es immer das erste Mal.
Lanni beobachtete, wie Charles mit seinen beiden Brüdern die Turnhalle verließ. Kurz darauf kehrten Sawyer und Christian ohne ihn zurück. Sie versuchte, sich einzureden, dass es ihr nichts ausmache, aber das tat es doch.
Daher beschloss sie, die Feier ebenfalls zu verlassen, und ging zu Abbey und Sawyer, um sich von ihnen zu verabschieden. „Ich wünsche euch, dass ihr miteinander glücklich werdet“, flüsterte sie, da sie befürchtete, ihr würde die Stimme versagen.
„Es wird alles wieder gut“, flüsterte Abbey ihr ins Ohr, als Lanni sie umarmte.
Lanni lächelte gezwungen und nickte. „Ich versuche, daran zu denken.“
Sawyer blickte sie ernst an. „Es tut mir Leid, Lanni.“
„Was?“ erwiderte sie aufgesetzt fröhlich. „Du hast doch nichts falsch gemacht.“ Sie war froh, dass er nicht versuchte, sie mit irgendwelchen Floskeln zu trösten.
Bevor Lanni die Turnhalle verließ, war der Empfang zu Ende. Abbey und Sawyer sollten noch am selben Abend nach Fairbanks fliegen und am nächsten Tag von dort in ihre Flitterwochen auf Hawaii aufbrechen. Abbey hatte Lanni vorher erzählt, dass Scott und Susan mit ihren Großeltern verreisen würden und Charles sich während ihrer Abwesenheit um Eagle Catcher, Scotts Husky, kümmern wollte. Während alle sich voneinander verabschiedeten, stahl Lanni sich davon.
Ihr war, als würden sie alle Freunde, die sie in der Stadt hatte, verlassen.
Als sie das Haus ihrer Großmutter betrat, kam es ihr wie ein Gefängnis vor. An einer Wand im Wohnzimmer stapelten sich die Kartons, die sie nach Anchorage schicken wollte. Kurz nach ihrer Ankunft in Hard Luck hatte sie erfahren, dass man hier alles per Post verschickte – sogar Lebensmittel –, denn alle anderen Transportmöglichkeiten wären viel zu teuer gewesen.
Plötzlich klingelte das Telefon. Lanni zuckte zusammen und blickte es starr an, bis es wieder klingelte. Als sie abnahm, klopfte ihr das Herz bis zum Hals.
„Hallo“, meldete sie sich.
„Hallo, Schwesterherz.“
„Matt.“ Allein seine Stimme zu hören, tröstete sie schon ein wenig. „Schön, dass du dich meldest.“
„Du vermisst mich, stimmt’s?“
Und wie sie ihn vermisste! Sie hatte ihren großen Bruder immer angebetet, schon als Kind. Erst als seine Ehe gescheitert war, hatte Lanni ihn etwas kritischer betrachtet.
„Du hockst jetzt also mit den O’Hallorans zusammen“, riss Matt sie aus ihren Gedanken.
„So würde ich es nicht unbedingt nennen“, schwindelte sie.
„Mir ist da aber etwas anderes zu Ohren gekommen. Mom hat mir erzählt, dass du bei Sawyer als Sekretärin eingesprungen bist und Charles kennen gelernt hast.“
„Stimmt, wir haben uns kennen gelernt.“ Sie schluckte mühsam.
„Mom meinte, ihr beide würdet euch gut verstehen.“
Lanni hielt den Hörer krampfhaft umklammert. Am liebsten hätte sie ihrem großen Bruder ihr Herz ausgeschüttet und ihn um Rat gefragt, doch sie widerstand der Versuchung hartnäckig.
„Nun klär mich schon auf, Schwesterherz.“
Sie befeuchtete
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