Charles Dickens
von
Barnaby Rudge
auslaufen zu lassen, obwohl der Vertrag weitere drei Jahre vorsah. Da er noch kein neues Romanprojekt im Kopf hatte und eine innere Leere verspürte, bat er seine Verleger, ihm ein Sabbatjahr zu gewähren. Danach wolle er mit einem Dreidecker aufwarten, der die Stadt erneut mit einem literarischen Feuerwerk überraschen werde. Die Verleger boten ihm daraufhin einen monatlichen Vorschuss von 150 Pfund zu 5 Prozent Zinsen, und für das angekündigte Werk für die Zeit des Erscheinens ein Monatsgehalt von 200 Pfund. Dadurch finanziell abgesichert, beschloss er kurz darauf, das Sabbatjahr für eine Reise nach Amerika zu nutzen.
Vorher musste er sich aber erst noch einer äußert schmerzhaften Operation wegen einer Darmfistel unterziehen. Zur Rekonvaleszenz begab er sich auf ärztlichen Rat für vierzehn Tage nach Windsor, wo er sich im White Hart Hotel pflegen ließ. Unter Schmerzen schrieb er die letzten beiden Kapitel von
Barnaby Rudge
, die am 27. November erschienen. Der dritte Sammelband von
Master Humphrey’s Clock
folgte am 15. Dezember, zusammen mit den separaten Textausgaben der beiden darin enthaltenen Romane.
Inzwischen hatte sich Dickens mit umfangreicher Lektüre für die geplante Amerikareise eingedeckt. In den 1830er Jahren waren einige Reiseberichte über die USA erschienen, die er nachweislich kannte. Frances Trollope, die Mutter des Romanciers Anthony Trollope, die drei Jahre in den Vereinigten Staaten verbracht hatte, schrieb darüber aus konservativer Sicht den kritischen Bericht
Domesti
c
Manners of the Americans
(1832). Mit ähnlichem Tenor publizierte Captain Marryat sein sechsbändiges
Diary in America
(1839). Marryat, dessen Seeromane dem Vorbild Smolletts folgen und darum manche Ähnlichkeit mit Dickens’ Erzählweise haben, war dem Autor von
Oliver Twist
freundschaftlich verbunden und führte beim Begrüßungsdinner anlässlich seiner Rückkehr aus Amerika den Vorsitz.
Aus liberal-fortschrittlicher, aber dennoch nicht unkritischer Sicht schrieb Harriet Martineau ihren dreibändigen Bericht
Society in America
(1837), dem sie im Jahr darauf das Buch
A Retrospect Western Travel
folgen ließ. Ihrer Haltung stand Dickens’ politischer Radikalismus anfangs sehr viel näher, weshalb er sie später als eine der ersten um Beiträge für seine Zeitschrift
Household Words
bat. Doch als sie seine Sozialkritik als sentimental abtat, erklärte er sie seinerseits zur «verbohrtesten Frau, die jemals geboren wurde». Die genannten Publikationen markieren das Spektrum, in dem sich das englische Amerikabild bewegte. Die einen sahen in der abgefallenen Kolonie das Menetekel einer vulgären Massengesellschaft, die anderen den Hoffnungsträger für ein fortschrittliches, freieres und gerechteres Gemeinwesen. Zur zweiten Gruppe zählte zunächst auch Dickens. Ungewiss ist, ob er auch die scharfsinnigste Analyse der amerikanischen Gesellschaft jener Zeit kannte, nämlich Alexis de Tocquevilles Buch
Demokratie in Amerika
, dessen englische Übersetzung 1837 erschienen war.
Nachdem sein Entschluss zur Reise gefasst war, erledigte er die weiterenSchritte mit der Effizienz, die ihn als Geschäftsmann auszeichnete. Das Hauptproblem waren die Kinder, von denen das Jüngste noch nicht einmal ein Jahr alt war. Da Dickens seine Frau in Amerika bei sich haben, diese aber ihre Kinder nicht mit über den Atlantik nehmen wollte, musste eine Lösung gefunden werden. Als Dickens’ Freund Macready anbot, sich mit seiner Frau um die Kinder zu kümmern, mietete er in der Nähe von dessen Haus eine Wohnung, in der die Kinder mit einer Amme und weiterem Personal unter der Obhut seines Bruders Fred wohnen sollten, während Macready ein wachsames Auge auf den Haushalt haben würde. Für sich selber schloss er eine Lebensversicherung in Höhe von 5000 Pfund ab. Und als ein Direktor ebendieser Versicherungsanstalt andeutete, dass er für eine kurze Zeit eine Wohnung suche, vermietete er ihm das große Haus in Devonshire Terrace für die Zeit seiner Abwesenheit. Die Überfahrt buchte er auf der
Britannia
, einem mittelgroßen Postschiff, das bis zu 115 Passagiere aufnehmen konnte.
Dickens’ Kinder (1841). Das von Daniel Maclise gemalte Medaillon nahm Catherine Dickens mit nach Amerika.
Die Reisevorbereitungen hinderten ihn nicht, noch einmal das Londoner Theaterleben und die üblichen geselligen Veranstaltungen zum Jahresende zu genießen. Von seinem Lesepublikum hatte er sich bereits in der letzten Nummer
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