Charles Dickens
genoss er die warmherzige Geselligkeit der Gastgeber und vor allem das kongeniale Schauspielertalent von Mrs. Watsons Nichte Mary Boyle. Mit der zwei Jahre älteren Frau, einer zierlichen Person von lebhaftem Temperament, führte er Szenen aus Sheridans berühmter Komödie
The School For Scandal (Die Lästerschule)
auf und unterhielt mit ihr einen ironisch-witzigen Flirt. Er beschrieb sie als die beste Schauspielerin, die er kannte, blieb mit ihr bis zuletzt befreundet und akzeptierte sie von nun an bei seinen Theaterprojekten als einzige den professionellen Schauspielerinnen ebenbürtige Amateurin.
Gegen Jahresende sah sich Dickens mit zwei Gerüchten konfrontiert, die geeignet waren, seinem Ruf zu schaden. Ein früherer Freund, Thomas Powell, der bei der Firma John Chapman & Co. Geld unterschlagen und sich nach Amerika abgesetzt hatte, schrieb dort das Buch
The Living Authors of England (Englands lebende Autoren)
, worin er ein hämisches Bild von Dickens zeichnete und behauptete, Dickens habe die Figur von Mr. Dombey nach dem Vorbild von Thomas Chapman, dem Seniorpartner der Firma, gezeichnet. Das war Dickens besonders peinlich, weil er Chapman Dank dafür schuldete, dass er seinem Bruder Augustus eine Stellung verschafft hatte. So unternahm er publizistischeSchritte, um den Verdacht öffentlich zurückzuweisen. Ein anderer Verdacht war nicht so gegenstandslos; denn die negative Figur der Miss Mowcher in
David Copperfield
hatte Dickens offensichtlich nach dem Vorbild der zwergenhaften Chiropraktikerin Mrs. Seymour Hill aus seiner unmittelbaren Nachbarschaft modelliert. Hier löste er das Problem dadurch, dass er die Figur gegen Ende des Buches ins Positive wendete.
Inzwischen war Dickens mit seinen Verlegern Bradbury & Evans übereingekommen, dass unter seiner Leitung ab 1850 ein literarisches Wochenmagazin mit dem Namen
Household Words
erscheinen sollte. Dafür suchte er umgehend nach Mitarbeitern und Beiträgern. Als stellvertretenden Herausgeber gewann er den befreundeten William Henry Wills, der bereits bei seinem kurzlebigen Engagement für die
Daily News
sein Sekretär war. Zu den gewichtigeren Autoren, die er anwarb, zählte Elizabeth Gaskell, die sich erst nach einigem Zieren bereitfand und Dickens auch später noch, trotz ihrer zahlreichen Beiträge, des öfteren diplomatisches Fingerspitzengefühl abverlangte.
Am 30. März 1850 erschien, gleichzeitig mit der laufenden Fortsetzung von
David Copperfield
, die erste Nummer der neuen Zeitschrift, die gegen massive Konkurrenz antreten musste. Die meistgelesenen Wochenzeitschriften waren zu der Zeit
Chamber’s Edinburgh Journal
und, auf noch niedrigerem Niveau,
Reynolds’ Miscellany
. Beide richteten sich an weniger gebildete untere Leserschichten, während Dickens jene breite Mittelschicht erreichen wollte, die nicht nur populäre Unterhaltung, sondern zugleich eine gewisse literarische Qualität erwartete. Da seine Zeitschrift teurer war als die Konkurrenz, musste er auf die Zugkraft seines Namens und auf die Qualität der Beiträge vertrauen. Er nahm die Herausforderung an und investierte, neben der Arbeit am laufenden Roman, seine ganze Kraft in die Zeitschrift. So schrieb er allein in der Zeit von April bis Juni dreizehn Artikel dafür.
Mit Elizabeth Gaskell, deren Erzählung
Lizzie Leigh
in der ersten Nummer zu erscheinen begann, hatte er bereits eine angesehene sozialkritische Autorin. Von schärferem Kaliber war Harriet Martineau, an deren Mitarbeit er sehr interessiert war. Sie hatte sich durch ihr bereits früher erwähntes Buch über die amerikanische Wirtschaft und Gesellschaft einen Namen gemacht und focht auch im eigenen Land eine scharfe Klinge gegen soziale Missstände aller Art. Dabei erwies sie sichaber als so eigensinnig, dass Dickens schon bald unter ihrer Starrköpfigkeit zu leiden begann, bis es 1854 zum Bruch mit ihr kam.
Bulwer-Lyttons Schloss Knebworth.
Im April verbrachte Dickens mit seiner Frau einige Tage auf Schloss Knebworth, dem Landsitz Bulwer-Lyttons. Den prominenten Autor hatte Dickens bereits Ende der 1830er Jahre kennengelernt, aber erst jetzt wurde aus der Bekanntschaft eine engere Freundschaft. Der Schlossherr hatte Dickens eingeladen, um mit ihm die Gründung einer
Guild of Literature and Art
zu besprechen, deren Ziel es sein sollte, mittellosen Künstlern, Autoren und Gelehrten aus finanziellen Notlagen zu helfen.
Nach der Rückkehr nach London widmete sich Dickens weiter der parallelen Arbeit an Roman und
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