Charlie + Leo
nur einen einzigen Barden, und der steht neben mir und freut sich wie ein Keks über den ganzen Trubel.
»Alder, wie krass geil!«, sagt er und stupst mir seinen Ellbogen in die Seite. »So viele Leute! Und so viele Bitch e … äh, ich meine Mädels!«
Ich recke meinen Hals in alle Richtungen, sehe Leo aber nirgends.
»Sie kommt bestimmt noch«, sagt Ingo aufmunternd.
Wir bewegen uns langsam durch die Menge auf eine Bühne zu, auf der ein einsamer Mikrofonständer steht. Links und rechts davon befinden sich zwei auf Pappe gemalte mittelalterliche Burgtürme, der eine davon hat einen Balkon. Na, wenn das mal nicht die Kulissen der letzten Theater-AG-Aufführung von »Romeo und Julia« sind. Aber immerhin etwas, was in dieser kahlen Betonhalle mit dem kotzgrünen Boden ans Mittelalter erinnert.
Wir wollen gerade in Richtung Getränkestand abdrehen, als plötzlich das Licht in der Halle aus- und zwei Scheinwerfer auf der Bühne angehen.
Eine Fee betritt die Bühne und stellt sich hinter das Mikro.
Hey, das ist ja Marie! Hätte sie fast nicht erkannt in dem blauen Kleid und mit dem ebenfalls blauen, langen, spitzen Hut. Sie sieht echt süß aus. Und sehr nervös. In der einen Hand hat sie ein Blatt Papier, die andere hält sie hinter dem Rücken versteck t – mit einer Tüte, jede Wette. Das Geplapper in der Halle wird langsam leiser. Marie schaut nervös nach links, von wo sie gekommen ist.
Oh, da ist ja Leo! Sie ist wie erwartet zum Glück nicht verkleidet, sieht fantastisch aus und hält Marie einen nach oben gestreckten Daumen entgegen.
»Das ist sie, oder?«, flüstert Ingo mir zu.
Ich nicke.
»Nicht schlecht für eine Emo-Braut«, flüstert er. »Trotzdem nicht mein Typ.«
»Dann ist’s ja gut«, flüstere ich zurück.
Es wird immer leiser in der Halle und alle warten gespannt darauf, dass Marie etwas sagt. Sie schaut noch mal zu Leo, die sie erneut ermuntert anzufangen.
Marie tritt einen Schritt näher an das Mikrofon heran, es ist ein Stück zu hoch eingestellt. Sie klappt es mit der Hand, in der sie das Blatt festhält, zu sich nach unten und räuspert sich.
»Die Ferie n … sin d …«, sagt sie viel zu leise und wird deshalb sofort unterbrochen.
»Lauter!«, ruft irgendein Idiot.
Maries Arm zuckt unwillkürlich, jede Faser in ihr scheint sich nach der Tüte zu sehnen, die aber hinter ihrem Rücken bleibt. Sie schluckt einmal, holt tief Luft und fängt noch mal an, diesmal wesentlich lauter.
»Die Ferien sin d … grad erst vorbe i … und schon beginn t … die Feierei.«
Sie macht eine kurze Pause, holt wieder tief Luft und fährt fort.
»Herr Billwerde r … der Schulverwalte r … schickt uns dafü r … ins Mittelalter.«
Sehr coole Idee, die Sache mit dem Reimen. Ob da Leo dahintersteckt?
»Warum, das wei ß … nur er allei n … Das muss woh l … so ’ne Macke sein.«
Die ersten Lacher erklingen.
»Vielleicht steht e r … auf Feen und Elfe n … Da könnt’ ei n … Psychologe helfen.«
Der Lachpegel steigt sprunghaft an. Marie muss grinsen und wird sichtbar lockerer.
»So manche konnten’ s … nicht vermeide n …und mussten sic h … deshalb verkleide n … Ich sehe Hexe n … Prinzen, Ritte r … Die Fotos gibt’ s … nachher auf Twitter.«
Jetzt lacht wirklich fast jeder. Sie macht das echt klasse.
»Im Mittelalte r … gab es Drache n … und sonst auch selte n … was zu lache n … Doch lasst euch nich t … vom Motto schocke n … Habt Spaß und lass t … die Halle rocken!«
Tosender Applaus, Jubelrufe und Gejohle lassen die Turnhalle erzittern.
Marie läuft rot an und strahlt über das ganze Gesicht. Sie zieht ihre Hand zaghaft hinter dem Rücken hervor. Ich wusste es, eine Tüte. Sie führt sie langsam an den Mund. Die Tüte bläst sich auf, bis sie fast zu platzen droht. Marie hält sie direkt vor das Mikrofon und haut mit der anderen Hand kräftig drauf. Ein ohrenbetäubender Knall fegt durch die Halle. Die Menge jubelt ihr zu.
»Danke!«, sagt Marie und verbeugt sich dreimal. »Danke schön ! … Ich wünsche euc h … einen schönen Abend!«
Dann geht sie nach links von der Bühne ab und fällt Leo um den Hals. Oh ja, genau das will ich auch.
»Alder!«, sagt Ingo neben mir und nickt in Richtung Bühne. »Was war das denn eben?«
»Was meinst du?«, frage ich zurück.
»Na, dies e … diese Göttin in Blau«, antwortet er und kriegt seinen Mund nicht mehr zu. »Hast du gesehen, wie wunderwunderschön sie ist?«
Wie bitte? Das glaube ich
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