Charlies Planet
ungefähr zweihundert Meter befand, begann der Lautsprecher nochmals zu brüllen.
»IHR GLAUBT, IHR KÖNNT MIR ÄRGER BEREITEN?« röhrte die Stimme des Scouts. »WARTET NUR, IN WELCHE SCHWIERIGKEITEN ICH EUCH BRINGEN KANN; EINE FIRMA WIE EHEU & KILLEY LÄSST SICH VON BAUERNTÖLPELN NICHT PROVOZIEREN! IHR WERDET SCHON SEHEN!«
Heftig beschleunigte die Maschine und entfernte sich in südwestlicher Richtung, wo die Küste und Arcadia City lagen, verlor dabei an Flughöhe. Mattie blickte ihr nach, und unterdessen wich ihre wutentbrannte Miene einem nachdenklichen Stirnrunzeln.
»Ich rede zuviel«, murmelte sie.
»Würde ich nicht sagen.« Cary grinste sie an. Dennoch blieb ihr besorgter Gesichtsausdruck, so daß er neben sie trat und kurz, aber sanft ihre Schulter berührte. Sie sah ihn an.
»Kein Grund zur Sorge. Kerlen wie diesem begegnet man überall, und überall stellen sie blöde Fragen. Früher oder später gerät auch er an den Falschen.«
Mattie nickte bedächtig und entspannte sich. Sie lächelte sogar ein bißchen.
»Vermutlich hast du recht«, meinte sie. Plötzlich hob sie den Kopf und fuhr herum. »Wie geht es Charlie …?«
»Laß ihn nur zufrieden«, sagte Cary. Er packte ihren Arm, ehe sie zu dem Otter eilen konnte. Charlie lag ruhig, mit aufgerissenen Augen, die nichts sahen, auf der Seite, wie Cary ihn niedergelegt hatte. Ein Verband bedeckte die Schulterwunde, die der Energiestrahl verursacht hatte. »Es ist nicht die Verletzung. Es ist der Schock. Wir können nichts für ihn tun. Entweder erholt er sich davon oder nicht. Es liegt ganz bei ihm.«
»Bei ihm? Schock? «
»Kein gewöhnlicher Schock, aber ich weiß nicht, wie man es sonst nennen könnte«, sagte Cary. »Ein Otter verfällt in diesen Zustand, wenn zuviel auf ihn einstürmt. Du weißt, wie es um ihn steht – von den eigenen Artgenossen aus dem Sumpf getrieben, dann der Abstieg über die Felswand. Und nun, wie aus dem Nichts, hat er diesen Schuß erhalten, unerwartet, ohne sich wehren zu können, ohne den Grund zu begreifen. Er mag nicht mehr. Er wird sich fassen oder sterben, eines davon. Aber wir können das durch nichts beeinflussen.«
Mattie starrte das reglose, schwarze Geschöpf an.
»Woher weißt du, daß er sich vielleicht wieder erholt?« forschte sie mit erstaunlich leiser Stimme.
»Habe schon ähnliche Fälle erlebt. Habe auch ihn schon einmal so gesehen, nachdem er mein Leben gerettet hatte. Du weiß ja.«
Mattie fixierte ihn aufmerksam.
»Nein«, sagte sie, »du hast mir nie davon erzählt, daß er damals in einem solchen Zustand war.«
»Nicht? Na, dann nicht«, meinte Cary. »Aber ich habe dir gesagt, wie es kam, daß er mir das Leben rettete? Wie ich eine Blutvergiftung hatte und trotzdem das Fallenstellen fortsetzte?«
Sie nickte.
»Und in einer Falle fand ich einen Otter. Schon tot, als ich kam. Die ganze Horde umschwärmte mich, als ich den Köper aus der Falle zu bergen versuchte. Es war Charlies Weibchen.«
»Davon hast du berichtet«, bestätigte Mattie. »Du hast gesagt, die anderen beabsichtigten, dich zu töten, aber Charlie sorgte dafür, daß sie dir das Leben ließen, weil er herausfinden wollte, warum du Otter in tödliche Fallen lockst, um das Töten vielleicht beenden zu können.«
»Genau«, sagte Cary. »Nachdem die anderen Otter versprochen hatten, mich nicht umzubringen, geriet er in eben diesen Zustand.« Während er sich erinnerte, schüttelte er langsam den Kopf. »Lange Zeit dachte ich, Mattie, es sei der Tod seines Weibchen gewesen, was seinerzeit den Schock hervorgerufen habe. Daß er sich lediglich so lange aufrecht hielt, um mein Leben erhalten zu können. Aber das stimmte nicht. Im mußte seine Art noch besser kennenlernen, bevor ich es begriff.«
»Es war gar nicht sein Weibchen?«
»Doch, sicher war es das. Aber das war nur einer der Gründe, will ich sagen. Tatsache ist, sie vermögen das Einsetzen dieses Schockzustands nicht zu kontrollieren. Teilweise also lag es am Verlust seines Weibchens – sie gehen nur einmal in ihrem ganzen Leben eine Verbindung ein, mußt du bedenken – und zum anderen Teil war ich der Anlaß. Du hast erlebt, wie die anderen Otter zu ihm stehen. Sie haben seinem Wunsch nur stattgegeben, weil es sein Weibchen war, das in meiner Falle starb. Und so befand er sich urplötzlich in dieser schwierigen Situation – seine Gefährtin tot, einen kranken zweibeinigen Trapper zu schützen und seinen Artgenossen gegenüber die Verantwortung wahrzunehmen
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