Charlies Planet
für sein ungewöhnliches Verhalten.«
Cary lachte plötzlich sein seltenes, tonloses Lachen.
»Stell dir vor – und ich, krank wie ich war, wollte ihn beschützen. Dabei war ich schon zusammengebrochen.«
»Wußtest du damals nicht, daß er dein Leben gerettet hatte?« fragte Mattie. Sie starrte ihn fortwährend mit bohrenden Augen an.
»Aber doch«, antwortete Cary. »Sicherlich, damals konnte ich mich noch nicht in diesen Pfeiflauten verständigen – ich kann es bis heute nicht recht, um es deutlich zu sagen. Ich war jedoch bei vollem Bewußtsein, als das entscheidende Ereignis sich abspielte. Wenn eine Horde schwarzer Dämonen dich in wildem Tanz einkreist und einer von ihnen springt auf deine Brust und pfeift, bis die anderen abziehen, nun … Dann kannst du dir ungefähr ausmalen, was sich zugetragen hat. Als ich das erste Mal das Bewußtsein verloren hatte und wieder zu mir kam, lag er reglos neben mir, und mein erster Gedanke war natürlich, seine Artgenossen seien zurückgekehrt und hätten ihn umgebracht.«
»Ständig behauptest du, dich kaum mit Charlie verständigen zu können«, sagte Mattie. »Ich habe jedoch den Eindruck gewonnen, daß ihr euch ganz gut unterhaltet.«
»Tja, das stimmt schon irgendwie«, räumte Cary ein. »Allerdings hat das mit Sprache, selbst Zeichensprache, wenig gemein. Nach einem gewissen Zeitraum lernt man eine Person so gut kennen, erfährt so viel über sie, daß man sich auf sie einstimmt, bis man kaum mehr Worte oder andere Symbole braucht, um sich mitzuteilen oder den anderen zu verstehen.«
Er verstummte und sah zu Charlie hinüber.
»Wir können nur warten«, sagte er dann. »Morgen wissen wir Bescheid, so oder so. Inzwischen schieben wir das Floß ins Wasser, beladen es und machen alles reisefertig.«
Am folgenden Morgen erwachten sie neben der weißen, erloschenen Asche ihres Feuers, unter einem warmen, wolkenlosen Himmel. Der Platz, wo Charlie gelegen hatte, war leer. Cary schälte sich aus seinem Schlafsack und bemerkte, daß Mattie ihn prüfend musterte.
»Ich habe nichts mit ihm unternommen, falls du das denkst«, sagte er. »Er hat sich gefaßt und treibt sich in der Nähe herum, sonst nichts.«
Und tatsächlich, noch bevor sie richtig zu frühstücken begannen, teilte sich der Wasserspiegel des Teichs, und Charlies Kopf erschien. Im Maul trug er eine Muschel. Er kletterte damit ans Ufer und schickte sich an, die Beute in eine Schlammpackung zu hüllen.
Cary pfiff nach ihm.
»Zeig deine Schulter, Charlie«, sagte er.
Charlie vollendete den Schlammballen und kam gelaufen.
»Zufriedenstellend«, bemerkte Cary, während er die Wunde untersuchte. Er legte dem Otter wieder den Verband um. »Keine Entzündung. Aber vorher kann man nie recht sagen, wie ein heimisches Tier eine Behandlung verträgt. Na gut – wir verladen den Rest und brechen auf.«
Sie beendeten ihr Frühstück, luden die restliche Ausrüstung auf das Floß – auch Charlies schlammverpackte Muscheln – und stießen vom Ufer ab. Am Abend zuvor hatten sie die Statue auf das Floß geschafft und es in das flache Uferwasser gehoben. Das Gefährt schwamm gleichmäßig. Die Statue, noch in ihrer Umhüllung aus Grasmatten und Brettern, ruhte näher am Heck, um ein Gegengewicht zum am Bug aufgetürmten Gepäck zu bilden.
»Wir sind unterwegs«, sagte Cary.
Sie stakten über den Teich, bis sie in das Flachwasser gerieten, das jene Stelle bedeckte, an der der Teich in den Fluß mündete, und mußten das Floß eine Strecke weit schieben und ziehen. Nachdem sie diesen Punkt erst einmal überwunden hatten, schwamm das Floß zügig mit der Strömung. Cary und Mattie waren an Bord. Charlie schwamm für etwa eine halbe Meile flußabwärts nebenher, dann kletterte er auf die Balken und sonnte sich. Gelegentlich beschnupperte er den Verband an seiner Schulter und berührte ihn vorsichtig mit den Zähnen.
»Glaubst du, mit dem Verband ist etwas nicht in Ordnung?« fragte Mattie, die den Otter beobachtete, als er seine Untersuchung zum zehnten oder elften Mal wiederholte.
Cary schüttelte den Kopf.
»Wahrscheinlich juckt es ihn bloß«, sagte er. »Am Mittag schaue ich mir die Verletzung noch einmal an. Oder später.«
Um die Mittagszeit hatte sich der Charakter des Gebirgsstroms, dessen Verlauf sie folgten, merklich gewandelt. Von einem langsam dahingluckernden Rinnsal, an manchen Stellen weitaus zu flach für ein Floß, war er zu einem reißenden Wasser von gut dreißig Meter Breite angeschwollen.
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