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Charlotte Und Die Geister Von Darkling

Charlotte Und Die Geister Von Darkling

Titel: Charlotte Und Die Geister Von Darkling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Boccacino
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dort am Boden, und ein Mann stand über ihr. Er war ganz in Schwarz gekleidet.« Ich dachte an den Mann in meinem Traum. Mein Mund wurde trocken, und ich fröstelte so heftig, dass es fast schmerzte. Es konnte nur ein Zufall sein. Ich schob den Gedanken beiseite und bat sie fortzufahren.
    »Lionel gab mir für alle Fälle den Knüppel mit.« Sie tastete nach dem hölzernen Stock an ihrer Seite, mit dem man vielleicht einen betrunkenen Angreifer abwehren konnte, aber wohl kaum jemanden mit Mord im Sinn. »Ich lief hin, um ihr zu helfen, aber ich konnte nichts mehr für sie tun   …« Ihre Stimme versagte. Sie schloss die Augen, als wollte sie die Bilder verbannen, die sich ihr dargeboten hatten. Ich drückte beruhigend ihre Hand und presste sie gegen meine Wange.
    »Wer war sie, Susannah?«
    Sie holte tief Luft und öffnete die Augen.
    »Es war Nanny Prum   … vollkommen zerstückelt. Als wäre sie von innen heraus auseinandergerissen worden.«
    Ich blickte hoch zu den anderen, aber sie wichen meinem Blick aus. Sie waren alle zutiefst entsetzt. Selbst Mrs. Normans unerfreuliches Interesse an der Sache schien verflogen zu sein. Ich selbst konnte mir einfach nicht vorstellen, dass etwas so Grauenvolles in einem stillen Dorf wie Blackfield und bei einem so großen und vornehmen Haus wie Everton geschehen konnte. Ich zweifelte nicht an Susannahs Worten, aber so wie ich mir nach dem Aufwachen aus meinen Alpträumen wünschte, dass sie wirklich und dass alle, die ich je liebte, noch am Leben wären, so hoffte ich jetzt, dass jemand sich geirrt hatte. Vielleicht hatte das Schattenspiel im Mondlicht das Geschehen absurder erscheinen lassen, als es in Wirklichkeit war.
    »Die Polizei   …«, wandte ich hilflos ein und fühlte mich elend, denn während ich redete, war mir klar, dass es kein Irrtum gewesen sein konnte. Susannah, die viele Jahre in einem Kleidergeschäft und in der Schänke gearbeitet hatte, besaß einen klaren Blick auch für die kleinsten Details. Etwas Unsagbares musste Nanny Prum im Wald widerfahren sein. Wer würde es den Kindern sagen? Fredericks meldete sich mit einer zitternden, nervösen Stimme, die sich dennoch kaum von seiner gewohnten unterschied: »Mr. Darrow und Roland sind bereits auf dem Weg dorthin.«
    »Er hat mir das Leben gerettet   …« Susannahs von Grauen erfüllter Blick begann sich wieder zu verschleiern. Ihre Fingernägel bohrten sich in meine Hand. »Als ich zu ihr lief, kam der Mann in Schwarz plötzlich auf mich zu. Er stank fürchterlich, wie der tiefste Höllenschlund. So stark war der Gestank, dass meine Kehle brannte   … Ich bin fast ohnmächtig geworden, aber dann war Roland bei mir, und der Mann floh in den Wald. Er hat mir das Leben gerettet   …« Sie begann wieder zu schluchzen, fing sich jedoch. »Jemand muss Lionel verständigen.«
    »Natürlich.« Ich warf Fredericks einen Blick zu, und er machtesich sofort auf den Weg, Susannahs Mann zu holen, der vermutlich gerade seine Schänke schloss. Mrs. Mulbus machte Tee, während wir auf den Konstabler warteten. Der erwies sich nach seinem Eintreffen als keine große Hilfe.
    »Kann nur ein wildes Tier gewesen sein«, sagte er, als er mit Roland, dem Gärtner des Anwesens, hereinstürmte, dessen vierschrötige Erscheinung über sein sanftes stilles Wesen hinwegtäuschte. Roland nickte mir zu, als er sich völlig erschöpft an die Wand lehnte, um sich, wie ich mir nur allzu gut vorstellen konnte, vom Schock des Erlebten zu erholen. Konstabler Brickner, ein korpulenter Mann mit einem Vogelgesicht unter dem lichter werdenden Haar und einem viel zu breiten Schnurrbart, war nicht beliebt. Um welches Verbrechen es sich auch handelte, er hatte rasch eine eigene, vorgefasste Meinung, von der er überzeugt war, und zu deren Gunsten er dazu neigte, Fakten und Zeugenaussagen zu vernachlässigen. Glücklicherweise neigte er jedoch auch dazu, sich der Meinung des jeweils Letzten, mit dem er redete, anzuschließen. Wenn also jemand seine eigene Ansicht zum Tragen bringen wollte, brauchte er nur zu versuchen, als Letzter mit ihm zu sprechen, bevor der Fall zum Abschluss kam.
    Hinter ihm stand die Tür weit offen und enthüllte die vom Mondlicht zerrissene Dunkelheit des Waldrandes, bis Mr. Darrow, der Hausmeister, auftauchte und dem Konstabler ins Haus folgte. Sein Gesicht schimmerte bleich in der Düsternis, das Haar war vom Wind zerzaust und seine Wangen gerötet von der Kälte. Er sah mich direkt an, als er in die Küche trat.

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