Charlotte
können, sogar als allein stehende Frau, aber das hat sie nie gewollt. Neue Studien belegen übrigens, dass mit vierzig die Gefahr von Chromosomenschädigungen und anderen Problemen sprunghaft ansteigt.«
»Ich dachte, du bist Historiker.«
»Ich schon, aber Charlotte nicht.«
»Was macht sie denn beruflich?«
Die Damen kamen herein, Nel trug ein Tablett mit Kaffee. Sprenger sagte: »Charlotte ist Biologin und seit etwa acht Jahren Chefin des Labors für Reproduktionsmedizin im Universitair Centrum Utrecht.«
Mir wurde der Zusammenhang nicht sofort klar, aber Nel stellte das Tablett auf den Tisch und fragte: »Also ist Runing tatsächlich Charlottes Vater?«
»Sieht sie ihm ähnlich?«, fragte Charlotte.
»Sie ähnelt ein wenig seiner älteren Tochter«, antwortete ich. »Nur dass Charlotte blond ist.«
»Das hat sie von ihrer Mutter.«
»Jetzt hilf mir doch mal jemand auf die Sprünge.« Ich schaute Charlotte an und beschloss, sie einfach auch zu duzen. »Wie kann Runing Charlottes Vater sein, wenn er Elisabeth nach ihrer Kündigung nicht mehr wiedergesehen hat?«
Charlotte setzte sich auf denselben Sessel wie beim letzten Mal. Sie schaute Sprenger unsicher an.
»An deiner Stelle würde ich es darauf ankommen lassen«, riet Sprenger. »Du kannst es ja doch nicht vermeiden.«
»Hat der Rechtsanwalt das gesagt?«, fragte ich.
Sprenger schüttelte den Kopf. »Nein, schon der Witwe zuliebe. Wenn sie das Resultat des Gentests erfährt, wäre es meiner Meinung nach barmherziger, dass sie wenigstens weiß, dass ihr Mann sie nicht belogen hat.«
»Worauf soll Charlotte es ankommen lassen?«, wollte Nel wissen.
Charlotte schaute von ihr zu mir. »Auf euch«, antwortete sie.
Ich erwiderte neutral ihren Blick, aber Nel lächelte Charlotte beruhigend an und sagte: »Wir sind nicht von der Inquisition. Du hast doch keine Bank ausgeraubt?«
Charlotte seufzte und schüttelte den Kopf. »Elisabeth wollte gerne ein Kind. Ich fand damals – und finde noch heute –, dass jede Frau das Recht darauf hat, eines zu bekommen.«
»Ich auch.« Nel wurde ungeduldig. »Aber Runing wollte das nicht, warum hat sie sich also nicht einfach einen Spender gesucht? Wäre das nicht einfacher gewesen?«
»Elisabeth wollte kein Kind von einem Spender.« Charlotte ließ sich nicht drängen. »Ich weiß, wie sorgfältig Samenspender ausgewählt werden, und Elisabeth wusste das auch, ich habe ihr die Prozedur oft genug erklärt. Aber sie schob allerhand Gruselgeschichten vor, über Geisteskrankheiten, kriminelle Veranlagung und Erbkrankheiten, und nach einer Weile begriff ich, dass sie das nur wegen Leonoor tat, die den wahren Grund, warum sie Runing als Vater haben wollte, nicht verstehen konnte oder wollte. Leonoor glaubte nicht an Bisexualität und konnte daher nie begreifen, geschweige denn akzeptieren, dass Elisabeth Otto Runing aufrichtig liebte und ausschließlich ein Kind von ihm wollte.«
»Runings Tochter meint, dass Runing das auch wusste«, sagte ich. »Deshalb war er besonders vorsichtig.«
Charlotte nickte. »An einem unserer Frauenabende haben wir uns schließlich eine Methode ausgedacht. Es war gar nicht schwer. Ich arbeitete im Labor der Klinik für Reproduktionsmedizin und hatte alles Notwendige zur Hand. Wir brauchten nur sein Sperma aufzufangen und ich konnte Elisabeth noch in derselben Nacht befruchten.«
»War das der Grund, warum Elisabeth in den letzten Monaten nur noch ins Holiday Inn wollte?«, fragte ich dazwischen.
»Ja, aber doch nicht an willkürlichen Tagen?«, bemerkte Nel.
Charlotte lächelte sie an. Ich dachte bei mir, dass ich ab jetzt wohl besser den Mund hielte. »Elisabeth protokollierte schon seit Monaten sorgfältig ihren Zyklus. Sie hatte einen schönen regelmäßigen Rhythmus von 27 Tagen und den Eisprung jedes Mal am dreizehnten Tag.«
»Aber selbst dann«, wandte Nel ein. »Soweit ich weiß, liegen die Chancen, dass es klappt, nur bei fünfzehn Prozent. Einmal pro Monat? Wie viel Zeit hattet ihr? Sie hat doch gekündigt?«
»Stimmt, deshalb mussten wir uns etwas anderes einfallen lassen.«
»Künstliche Befruchtung, im Hotel?«, fragte Sprenger.
»Es war ganz schön kompliziert«, gab Charlotte zu. »Elisabeth reservierte immer ein Zimmer auf ihren Namen. Am Tag ihres Eisprungs buchte sie zwei nebeneinander, das zweite auf den Namen von Leonoor. Sobald Runing eingeschlafen war, schlich Elisabeth mit dem Kondom nach nebenan, ich zog das Sperma auf eine Spritze und befruchtete sie
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