Charlotte
und fuhr damit nach Hause. Morgens vor der Arbeit hatte ich genügend Zeit, sie aufzutauen und die Befruchtung durchzuführen. Nach vier Monaten klappte es. Das ist eigentlich alles.« Sie blickte mich herausfordernd an. »Vielleicht war es illegal, aber ich glaube fest an das Recht jeder Frau, schwanger zu werden, ihr Kind zu behalten und großzuziehen, mit oder ohne Vater.«
Ihre Stimme zitterte und ich sah, dass sie an ihre eigenen verpassten Chancen dachte, an das Kind, das ihr fehlte. Sprenger rührte sich nicht, aber Nel nahm Charlottes Hand und drückte sie.
Ich fühlte, dass etwas von mir erwartet wurde. »Ich bin vollkommen deiner Meinung«, sagte ich deshalb einfach.
Sie nickte abwesend. »Wie dem auch sei, das war jedenfalls der Grund, warum Elisabeth ihr Kind nach mir nannte und warum die Witwe ihrem Mann wirklich glauben kann. Otto hat nie erfahren, dass Elisabeth ein Kind von ihm hatte.«
»Vier Monate, das ging ja recht schnell«, sagte Nel. »Charlotte kann übrigens eine nette Patentante gut gebrauchen.«
Charlotte wandte sich an mich. »Wird sie davon erfahren?«
Ich fragte mich, wie das Mädchen reagieren würde, wenn sie von all den Intrigen und Tricks erfuhr, die notwendig gewesen waren, um sie auf die Welt zu bringen. Vielleicht würde sie damit umgehen können, wenn sie gleichzeitig begriff, dass ihre Mutter ihren Vater so sehr geliebt hatte, dass sie all das in Kauf nahm, und dass sie selbst, wie auch immer, eine Frucht der Liebe war.
Liebe, nun ja. Von Elisabeths Seite her gewiss, aber Runing war ein treuloser Wicht gewesen. Wie Jennifer ganz richtig bemerkt hatte: Männer tun alles, um eine Frau ins Bett zu kriegen.
»Vielleicht solltest du es ihr bei Gelegenheit selbst erklären«, sagte Nel.
Charlotte lächelte schief. »Ich habe schon befürchtet, dass das jemand vorschlagen würde.«
»Illegale Insemination«, sagte Sprenger. »Gibt’s so was?«
Nel kicherte. »Klingt wie ein Euphemismus für Vergewaltigung.«
Charlotte entspannte sich und antwortete: »Unsinn. Ich wusste, was ich tat. Ich würde es nicht noch einmal tun, aber ich bereue es nicht.«
Sprenger holte die Cognacflasche hervor. »Du sagtest, du hättest noch weitere Fragen.«
Ich nickte, nahm ein Glas von ihm entgegen und schaute Charlotte an. »Glaubst du, dass Leonoor zu einem Mord fähig wäre?«
»An Elisabeth?«
»Ich dachte eher an Runing.«
Ihre Hand mit dem Glas zitterte. Sie beugte sich zum Tisch, um es abzustellen, und schaute Sprenger an. »Manchmal redet man irgendetwas daher, wenn man bei einem Gläschen zusammensitzt. Aber schließlich seid ihr beide so etwas wie die Polizei. Tratsch ist nicht meine Sache und außerdem ist meine Meinung subjektiv, weil ich dieses Weib auf den Tod nicht ausstehen kann.«
»Wir sind nicht von der Polizei«, entgegnete Nel.
Charlottes Blick wanderte zu mir. »Schon ein paar Monate nach Charlottes Geburt hatten sie einen gewaltigen Krach, weil Leonoor von Runing Geld fordern wollte. Elisabeth war strikt dagegen und drohte, sich von ihr zu trennen.«
»Aber warum ist sie bei Leonoor geblieben, wenn die so ein Luder war?«, fragte Sprenger.
Mir schien das eine logische Frage, aber Nel schaute mich düster an und sagte: »Liebe ist ebenso unergründlich wie Gottes Wege.«
»Elisabeth behauptete immer, sie liebe Leonoor und sie hätten eine schöne Beziehung, vor allem wenn Außenstehende sich einmischten. Elisabeth war keine starke Frau, und ich vermute, dass sie Leonoor nicht zuletzt brauchte«, sagte Charlotte. »Was Leonoor betraf, war ich eine Außenstehende und zwar eine mit schlechtem Einfluss. Das hört sich an wie in einem drittklassigen Fernsehfilm, aber ich war eine Freundin von Elisabeth und Leonoor war eifersüchtig auf mich. Endlich war sie Runing los und sie wollte Elisabeth für sich allein. Ich denke, sie haben sich auf einen Kompromiss geeinigt. Leonoor verzichtete auf die Erpressung, Elisabeth strich mich aus ihrem Leben, und die beiden verschwanden gemeinsam auf Nimmerwiedersehen.« Sie griff nach ihrem Glas und trank einen kleinen Schluck. Dann fuhr sie fort: »Ich konnte es kaum glauben. Anfangs wartete ich täglich auf einen Anruf von Elisabeth. Oder auf einen Brief. Sie war meine Freundin, ich habe sehr viel für sie riskiert.«
Wir schwiegen eine Zeit lang.
»Du meinst also, dass Leonoor zu Gewalt fähig ist«, sagte Sprenger.
Charlotte holte tief Luft, als habe sie eine Weile vergessen zu atmen. »Einmal saß ich mit dem Baby im Arm in
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