Charlotte
behalten.
Kurz darauf erschien ein grauhaariger Mann mit einer Professorenbrille im autoritären Gesicht auf dem Gang. Er nickte dem Gefangenen zu. »Meneer Molenaar? Ich bin Professor Hesselheim. Treten Sie ein.« Er warf einen missbilligenden Blick auf die Bewacher. »Meneer Molenaar allein, bitte. Die Handschellen können Sie ihm abnehmen.«
»Das ist gegen die Regeln, Meneer«, erwiderte einer der Bewacher.
»Dann führen Sie ihn mal wieder ab, denn hier gelten nur meine Regeln«, antwortete Hesselheim bestimmt.
Die Bewacher zögerten. »Einen Augenblick, Meneer«, sagte schließlich derjenige der beiden, der nicht mit Molenaar zusammengeschlossen war.
Hesselheim machte ein ungeduldiges Gesicht, ließ es aber zu, dass der Beamte sein Sprechzimmer kontrollierte. »Meneer Faber«, sagte er. »Sehen wir uns nachher?«
»Ja, gern«, antwortete Faber.
Der Bewacher kehrte zurück und nickte seinem Kollegen zu. »Wie lange wird es ungefähr dauern?«, fragte er.
Hesselheim erwiderte kühl seinen Blick. »Es dauert so lange, bis Meneer Molenaar und ich mit unserem Gespräch fertig sind.«
Der andere Beamte schloss die Handschelle an Molenaars Handgelenk auf. »Wir stehen direkt vor der Tür«, warnte er, doch Molenaar betrat bereits das Sprechzimmer und Hessel heim schloss die Tür hinter ihnen.
Faber kam ins Wartezimmer, ließ die Tür einen Spalt offen stehen und blickte sich suchend um. »Meinst du, ich kann hier drin rauchen?«
»In den meisten Krankenhäusern wird das nicht gern gesehen.«
Faber ging ans Fenster, zog den Untersetzer unter der Sukkulente hervor und stellte ihn auf den Zeitschriftenstapel auf dem Tisch. »Die können mich mal«, sagte er und holte ein elegantes Zigarettenetui aus seiner Aktentasche. »Willst du auch eine?«
»Nein, danke.«
Er schaute zur Tür. »Kaffee wäre wahrscheinlich zu viel verlangt.«
»Ist auch ungesund.« Ich setzte mich ihm gegenüber und schaute ihm zu, wie er eine Zigarette aus dem Etui nahm und mit einem Streichholz anzündete. »Ich bezweifle, dass du es schaffst, Molenaar für unzurechnungsfähig erklären zu lassen«, meinte ich.
»Das Gutachten eines Fachmanns über seinen seelischen Zustand kann ein gewichtiges Argument sein.« Faber blies Rauch aus und seufzte: »Ich will einfach alle Möglichkeiten ausschöpfen.«
Ich grinste. »Homosexueller Sohn rächt Mutter, vielleicht findet Hesselheim einen Ödipuskomplex.«
»Damit wollte ich unter anderem argumentieren«, antwortete er pikiert.
»Entschuldige, wenn ich ein bisschen ironisch war.«
»Hesselheim hat einen guten Namen«, sagte Faber. »Er erstellt häufiger Gutachten für die Justizbehörden. Was meintest du eigentlich mit deiner Anspielung, mein Mandant habe womöglich nicht alle Tassen im Schrank?«
»Eigentlich ist eher CyberNel auf die Idee gekommen, meine Partnerin.«
»Ich erinnere mich von Thomas’ Hochzeit her an sie.«
»Was sie so merkwürdig findet, ist, dass Molenaar überhaupt noch im Lande ist. Seine Mutter ist tot, seinen Job verliert er auf jeden Fall, wie auch immer das hier ausgeht, und er konnte sich an allen zehn Fingern ausrechnen, dass man ihn als Ersten verdächtigen würde.
Jeder andere mit einem Minimum an gesundem Menschenverstand hätte sich aus dem Staub gemacht, aber nein, Molenaar geht zur Beerdigung des Mordopfers und lässt sich dort verhaften. Das wäre übrigens ein gutes Argument.«
»Für Unzurechnungsfähigkeit?«
»Oder seine Unschuld. Aber wenn meine Vermutungen zutreffen, dass es einen Komplizen gibt, bleibt nur die Unzurechnungsfähigkeit.«
Faber reagierte überrascht. »Ein Komplize?«
»Möglicherweise einer seiner Freunde. Ich bin mir aber noch nicht sicher.«
»Ich hoffe, du hast auch etwas Positives zu berichten.«
Ich schüttelte den Kopf. »Je mehr ich grabe, desto schlechter sieht es für deinen Mandanten aus. Ein Komplize lässt den Mord nur noch vorsätzlicher aussehen. Ansonsten habe ich festgestellt, dass er mir diverse Lügen aufgetischt hat.«
»Lügen?« Faber machte ein ungläubiges Gesicht. »Er ist nicht sehr mitteilsam, das gebe ich zu, aber ich habe bei unseren Gesprächen keinen Augenblick das Gefühl gehabt, dass er mich anlog.« Er tippte die Asche seiner Zigarette in den Pflanzenuntersetzer.
»Die ganze Durchführung sieht wie der sorgfältig vorbereitete Plan eines Profikillers aus. Eben nicht, als sei jemand auf gut Glück seinem Opfer nachgeschlichen und habe es abgeknallt, sobald die Gelegenheit sich bot.
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