Charlotte
schlimm aus. Er musste mit dem Kopf auf die Stahlkante des Containers aufgeschlagen sein. Blut strömte aus seinem aufgeschlagenen Schädel. Zwei Krankenschwestern in weißen Kitteln hockten neben ihm. Ein Gärtner stand wie gelähmt auf dem Kies, den Stiel eines Rechens umklammernd. Sanitäter kamen mit einer Trage aus einer Seitentür gerannt. Eine Krankenschwester drückte Molenaar den Finger an den Hals, aber ich brauchte nicht ihr Kopfschütteln zu sehen, um zu wissen, dass der Mann tot war.
Der Bewacher zog mich an der Schulter zurück, um selbst hinunterschauen zu können. Er fluchte verhalten. Eine Ärztin kam, gefolgt von Sanitätern mit einer Trage, ins Sprechzimmer. »Alle raus hier!«, rief die Ärztin. Sie zog Hesselheims Bürostuhl von seinem Schreibtisch weg. Er stöhnte. Ein massiver Briefbeschwerer lag auf dem Fußboden – wahrscheinlich hatte Molenaar den Professor damit niedergeschlagen.
Faber stand wie betäubt auf dem Flur. Der Bewacher rannte an uns vorbei zum Aufzug. An seinem Handgelenk baumelten noch die Handschellen, an denen er Molenaar geführt hatte, und aus seinem Gesichtsausdruck sprach, dass er nie wieder auf einen Psychiater hören würde.
»Dein Mandant ist tot«, sagte ich.
»Mist!«, sagte Faber wieder. »Und Hesselheim?«
»Eine Beule am Kopf, scheint nichts Ernstes zu sein, aber er wird dich vorerst nicht empfangen können.«
»Das hat ja sowieso nicht mehr viel Sinn. Case closed.«
»Vielleicht.«
Im Aufzug fragte er: »War es Selbstmord?«
Ich hatte über kaum etwas anderes nachgedacht, seit ich das Glas hatte klirren hören. »Garantiert nicht.«
Faber schaute mich verdutzt an.
»Stef war nicht der Typ dazu«, erklärte ich. »Von Anfang an dachte er nur ans Ausbrechen. ›Die halten mich hier nicht fest. Ich haue ab. Afrika.* Er wartete nur auf die passende Gelegenheit. Hat er dir diese psychiatrische Untersuchung vorgeschlagen oder Andeutungen gemacht?«
»Nein.« Faber wirkte unsicher. »Höchstens indirekt«, gab er dann zu. »Er war jedenfalls nicht dagegen.«
»Er wusste, dass er irgendwie aus dem Gefängnis rausmusste, um eine Chance zur Flucht zu haben. Und er konnte sich ausrechnen, dass Psychiater und Rechtsanwälte kaum erwarten, viel aus einem Angeklagten herauszubekommen, der zwischen zwei Bewachern an einen Stuhl gefesselt vor ihnen sitzt.«
Die Lifttüren glitten auf und wir gingen auf der Suche nach einem Ausgang den Flur entlang.
»Vielleicht hatte er ursprünglich vor, den Psychiater als Geisel zu nehmen, schaute dann aber aus dem Fenster, sah, dass es nur ein Stockwerk hoch lag, und entschied sich für die einfachste Lösung«, spekulierte ich. »Stef war in ausgezeichneter Form. Drei, vier Meter waren nichts, er war für diese Art von waghalsigen Aktionen ausgebildet. Ein Sprung, über die Schulter abrollen. Er hätte einfach in der Innenstadt verschwinden können oder zum Bahnhof rennen, beides liegt in unmittelbarer Nähe. Nur mit dem Container unter dem Fenster hatte er nicht gerechnet. Den konnte er von seinem Stuhl aus nicht sehen.«
Wir fanden eine Tür nach draußen. Zwei Betonstufen hinunter. Draußen war schönes Sommerwetter, ein laues Lüftchen wehte. Tauben flatterten in den Bäumen. Molenaars Leiche war bereits weggeschafft worden und alles sah wieder normal aus, der Verkehr auf dem Ring, Leute, die am Haupteingang ein und aus gingen, Bürogebäude im Hintergrund. Sogar der Streifenwagen, der ohne Blaulicht und Sirene vor dem Haupteingang hielt, sah aus wie von der Bezirkswache geschickt, um Prospekte über Kriminalitätsvorbeugung unter dem Krankenhauspersonal zu verteilen. Nur der Gärtner stand noch auf seinen Rechen gelehnt da und starrte den Container und das Fenster darüber an.
Case closed.
12
Laut Namensschild neben dem Briefkasten unten am zweiten Wohnblock am Utrechter Wolfsdreef wurde Wohnung Nummer 214 inzwischen von Meneer, Mevrouw oder Familie G. H. Sorgdrager bewohnt. Ich studierte die übrigen Schilder, die zur ersten Galerie gehörten, und fand zwei, bei denen der Vorname mit einem C begann, C. Kanthuis in Nummer 210 und C. Catsius, der oder die das Namensschild der Nummer 218 mit H. Sprenger teilte.
Ich stieg die Treppe zum ersten Stock hinauf und öffnete eine Glastür. Die Gebäude und die Umgebung machten einen gepflegten Eindruck. Die Galerie auf der Nordostseite wirkte feuchtkalt und verlassen. Das einzige lebende Wesen war ein schwarzer Labrador, der mich von einer gefalteten Pferdedecke am
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