Charlotte
»Was gibt es denn da noch zu klären?«, fragte sie. »Der Täter sitzt doch hinter Schloss und Riegel.«
»Die beiden Fälle kommen sich nicht in die Quere«, versprach ich. »Im Gegenteil«
Sie biss sich auf die Lippen. »Harry hat schon solche Andeutungen gemacht.«
»Harry?«
»Der Chauffeur. Ihm ist aufgefallen, dass Sie mehr Interesse an dem Mord als an der Erbschaftssache zeigten. Er befürchtete schon, Sie würden Ihre von mir bezahlte Zeit damit vergeuden.« Sie kaschierte den indirekten Vorwurf mit einem spöttischen Tonfall und nickte Nel zu. »Ich danke Ihnen für Ihr Angebot, aber ich muss jetzt wirklich gehen.«
Wir brachten sie zur Tür. »Ist Harry eigentlich verheiratet?«, fragte ich.
»Harry ist überzeugter Junggeselle. Warum?«
»Nur so.« Ich schaltete das Außenlicht ein und sorgte dafür, dass sie sich beim Verlassen der Terrasse kein Bein brach. In der Mitte der Einfahrt blieb sie stehen und reichte mir nun doch die Hand. »Ich hoffe, Sie halten mich auf dem Laufenden.«
Ich wartete, bis sie um die Hausecke verschwunden war, bevor ich hinter ihr her den Deich hinaufschlenderte. Der Mercedes stand gegenüber unserer Haustür, vielleicht hatte sie dort nach einer Klingel gesucht, weil sie nicht wusste, dass Deichbewohner ihre vorderen Hauseingänge nicht benutzen. Ein Mann öffnete die hintere Autotür. Die Innenbeleuchtung ging an und ich erkannte Harry. Er schloss die Tür und ging um den Wagen herum, der mit zwei Rädern auf dem Seitenstreifen geparkt stand, sodass er durch das Gras laufen musste, um zu seinem Chauffeursitz zu gelangen.
Ich trat zurück, als Harry startete und die Scheinwerfer einschaltete. Er schaute nicht zur Seite, als sie die Einfahrt passierten.
Der stramme Max stand in der Küche bereit. Nel massierte mir den Nacken. »Komische Frau«, sagte sie.
»Es kommt immer wieder vor, dass die Leute es mitten in den Ermittlungen bereuen, dass sie sich darauf eingelassen haben. Heleen wünscht sich eine blütenweiße Vergangenheit, alles hübsch ordentlich in ihrem Sinne. Hast du übrigens den Chauffeur gesehen?«
»Nein. Ist das dieser Harry?«
»Ja. Als ich nach Hause kam, saß niemand im Auto, aber er ist gefahren. Die Vorstellung behagt mir nicht, dass hier Leute um unser Haus herumschleichen und zu den Fenstern reingucken.«
»Vielleicht ist er nur ein Stück spazieren gegangen.« Nel ließ von meinem Nacken ab und schenkte uns Kaffee ein.
»Man geht nicht spazieren, wenn die Chefin drinnen sitzt und jeden Moment aufbrechen könnte.«
Nel zuckte mit den Schultern. »Wenn ich gewusst hätte, dass sie mit Chauffeur hier war, hätte ich ihn natürlich hineingebeten. Ich mag es nicht, wenn Leute draußen im Auto auf ihren Chef warten. Warum wolltest du eigentlich wissen, ob er verheiratet ist?«
»Weil es sein kann, dass er homosexuell ist. Eine Nachbarin hat kurz vor dem Mord einen Mann mit einem Strauß Gladiolen zu Stef Molenaar hineingehen sehen. Er wusste, wo der Hausschlüssel lag, und benahm sich, als ginge er dort ein und aus. Ihre Beschreibung erinnerte mich ziemlich an Harry.«
Nel starrte mich an. »Das wäre ja eine reizende Wendung.«
»Ich kann es mir nur nicht richtig vorstellen. Das Einzige, was Harry von Runings Tod hat, ist ein Legat von fünfzehntausend Euro.«
Sie kicherte. »Gladiolen?«
Ich hatte eine Idee. »Wie verhältst du dich, wenn ein besonderer Mensch dir Blumen schenkt?«
»›Besonders‹ im Sinne von lieb, romantisch?«
Ich sah ihren Blick. »Du brauchst mich nicht daran zu erinnern, dass ich auf manchen Gebieten ein Versager bin.«
»Ich würde sie dorthin stellen, wo ich sie gut sehen kann, und mit ihnen reden, wenn du weg wärst«, antwortete sie spöttisch. »Ich meine, nur in dem unwahrscheinlichen Fall, dass.«
»Wann würdest du sie wegwerfen?«
»Als verliebtes Schulmädchen hätte ich sie behalten, bis das ganze Haus gestunken hätte.« 1 Sie runzelte die Stirn. »Standen sie noch da?«
»Ja, und Molenaar hat sie eine Woche vor dem Mord bekommen. Er ließ sie stehen, als er nach Belgien fuhr, und auch noch, als er wieder zurück war. Es wäre mir nicht aufgefallen, wenn Molenaar nicht so pingelig im Haushalt wäre. Bei ihm könnte man vom Fußboden essen. Verwelkte Blumen passen dorthin wie die Hure in die Sakristei.«
Nel schwieg einen Moment. »Wenn es Harrys Gladiolen waren, haben wir die Antwort auf die Frage, woher Molenaar von der Verabredung zum Golf wusste.«
»Unter anderem.«
»Aber Harry hat der
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