Charlottes Traumpferd | Gefahr auf dem Reiterhof
Tresen, obwohl das nachmittags unser Stammplatzwar, sondern verzogen uns an den runden Tisch in der Ecke. Ich erzählte den Jungs haarklein von dem belauschten Gespräch.
»Das ist total ätzend«, meinte Oliver. »Wer weiß, was da für einer kommt.«
Wir fünf hatten alle bei Herrn Kessler mit dem Reiten begonnen. Es würde ganz schön ungewohnt sein, einen anderen Reitlehrer zu haben.
»Kann man nichts dran ändern.« Karsten zuckte die Schultern.
»Wir sollten uns auf jeden Fall ein Abschiedsgeschenk für ihn ausdenken«, sagte Inga eifrig.
»Ja, super«, stimmte Oliver zu. »Du kannst ihm ja einen Schal häkeln.«
»So einen, wie du meinem Bruder letztes Jahr geschenkt hast«, fügte Karsten hinzu. Inga wurde knallrot im Gesicht. Doro und ich starrten unsere Freundin sprachlos an. Sie hatte uns nie gesagt, dass sie für Simon Orthmann einen Schal gehäkelt und ihm geschenkt hatte. Warum sie daraus ein Geheimnis gemacht hatte, war uns sofort klar. Das war übelste Einschleimerei!
»Du hast Simon einen Schal gehäkelt?«, vergewisserte Doro sich ungläubig.
»Na und?«, entgegnete Inga schnippisch. »Netten Menschen mache ich gerne ein Geschenk.«
Wir waren fassungslos. Da sprang Inga auf.
»Ihr seid echt blöd!«, schrie sie und rannte davon. Die Tür des Kasinos knallte hinter ihr zu, sodass die Glasscheibe in der Türfassung erzitterte.
»Nanu?« Herr Boshof, der Pächter, tauchte aus dem Räumchen hinter dem Tresen auf. »Was war das denn? Ein Erdbeben?«
Wir vier sahen uns an und begannen wieder zu lachen. Wir lachten, bis uns die Tränen über das Gesicht liefen und wir Seitenstechen bekamen.
»Ein Schal!«, japste Doro. »Ich kann’s nicht fassen!«
Einige Wochen später kam Gunter, der Jugendwart des Reitvereins, mit einer Rolle unter dem Arm die Stallgasse entlang. Der Herbst hatte mit aller Macht Einzug gehalten und draußen nieselte es, deshalb saßen wir auf ein paar Strohballen vor Corsarios Box. Gunter entrollte ein Plakat und pinnte es ans Schwarze Brett.
»Wahlen zum Jugendvorstand am Samstag, dem 4. November, ab 14:00 Uhr. Wir bitten um zahlreiches Erscheinen aller jugendlichen Vereinsmitglieder bis achtzehn Jahre.«
Der Bad Sodener Reitverein war ein großer Verein mit langer Tradition. Vor vielen Jahren war er der erste Verein gewesen, der eine Reithalle besessen hatte, und die Turniere, die früher auf dem jetzigen Gelände des Kreiskrankenhauses abgehalten worden waren, waren legendär. Neben dem geschäftsführenden Vorstand, der aus einem Ersten und Zweiten Vorsitzenden, dem Kassenwart, einem Schriftführer, dem Jugendwart und zwei Beisitzern bestand, gab es auch einen Jugendvorstand.
»Was muss denn so ein Jugendvorstand machen?«, erkundigte sich Inga bei Gunter.
»Gibt’s da Geld für?«, fragten Karsten und Oliver wie aus einem Mund.
»Nein, es gibt kein Geld«, antwortete der Jugendwart und das Interesse der Jungs erlosch augenblicklich. »Vorstandsarbeit ist ehrenamtlich. Der Jugendvorstand vertritt die Interessen der jugendlichen Vereinsmitglieder. Davon haben wir immerhin beinahe hundertzwanzig.«
»Wie bitte?«, staunte ich. »Wo sind die denn alle?«
»Es gibt viele, die irgendwann einmal in den Verein eingetreten sind, aber mittlerweile nicht mehr reiten. Und dann sind da noch die Voltigierkinder. Viermal im Jahr gibt’s eine Jugendvorstandssitzung, bei der besprochen wird, was anliegt.«
»Aha.« Doro und ich wechselten einen Blick. Das hörte sich doch echt ganz interessant an!
»Vorschläge zur Wahl könnt ihr in den Vereinsbriefkasten werfen«, sagte Gunter, und dann verriet er noch, dass es nach der Wahl im Kasino Würstchen und Kartoffelsalat geben sollte. Quasi als kleinen Anreiz für die Jugendlichen.
»Essen könnte ich jetzt schon was.« Karsten rieb sich den Magen. »Ich könnte grad ein ganzes Schwein vertilgen!«
Seitdem er für einen Roller sparte, leistete er sich keine Pommes oder Süßigkeiten mehr im Kasino. Oliver und er schufteten dreimal die Woche in einer Getränkehandlung und trugen das Wochenblättchen aus, um ihr Taschengeld aufzubessern. Ihr Traum war ein ganz bestimmtes Rollermodell, über das sie stundenlang reden konnten. Als Gunter verschwunden war, begannen Oliver und Karsten wieder damit, die Vorzüge ihres Traumrollers herunterzubeten. Doro rollte die Augen und zog Inga und mich mit.
»Ist ja nicht auszuhalten, dieses Gequatsche«, sagte sie. »Motorroller, Formel 1 und Fußball, grässlich!«
Gerade als wir aus der
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