Charlottes Traumpferd | Gefahr auf dem Reiterhof
warum nicht«, erwiderte Karsten.
»Was läuft denn?«, wollte Oliver wissen.
»Hat Inga euch nicht auf ihre Party eingeladen?«
»Was? Miss Pummel schmeißt ’ne Party?« Oliver biss in seinen Schokoriegel. »Wusste ich gar nicht.«
»Ich auch nicht«, sagte Karsten. »Ich wäre eh nicht hingegangen. Wahrscheinlich hat sie Herrn Schmidt eingeladen.«
Ein hysterischer Lachanfall kroch in mir hoch. Sie hatten mir die Party nicht etwa verschwiegen, nein, auch sie waren von Inga nicht eingeladen worden! Ich verspürte eine ungeheure, gewaltige Erleichterung. Es gab wohl kein elenderes Gefühl auf der Welt als das, von Freunden hintergangen und belogen zu werden.
Jemand schob von links eine Anwesenheitsliste herüber, in die wir unsere Namen eintrugen. Mittlerweile war jeder Stuhl besetzt. Gunter, Merle, Isa und Gaby, der noch amtierende Jugendvorstand, nahmen am Präsidiumstisch Platz. In dem Moment betraten Herr Stark und Herr Kessler das Kasino.
Mein Blick wanderte zu Inga hinüber. Sie hatte sich bequem zurückgelehnt und lächelte zufrieden. Gunter stand auf und klopfte mit einem Messer gegen ein Glas. Die Gespräche verstummten, die Aufmerksamkeit aller Anwesenden richtete sich auf ihn.
»Ich bin froh, dass ihr heute so zahlreich hierhergekommen seid, um einen neuen Jugendvorstand zu wählen«, sagte er. »Das zeigt, dass doch ein großes Interesse an der Jugendarbeit im Verein besteht, und das ist eine sehr gute Sache. In den letzten Tagen wurden neun Vorschläge für die Ämter des Jugendvorstands eingereicht, das ist eine Menge und freut uns auch sehr.«
Er erklärte, was ein Jugendvorstand zu tun hat, und erwähnte mit einem Seitenblick auf Oliver und Karsten, dass die Ämter ehrenamtlich ausgeübt würden. Dann zählte er auf, was in Zukunft alles an Veranstaltungen geplant war: Arbeitsdienst, Weihnachtsfeier, Reiterball, Silvesterspringen, Quadrillenreiten, Faschingsreiten. Ich hörte kaum zu. Meine Handflächen waren schweißnass und mein Herz schlug aufgeregt gegen meine Rippen. Als Nächstes öffnete Merle die Zettel mit den Vorschlägen und las die Namen vor. Doro und ich waren nicht erstaunt, dass unsere Namen nicht dabei waren. Andere allerdings schon.
»Ich denke, ihr habt euch auch gemeldet«, flüsterte Karsten.
In diesem Augenblick ging Herr Stark an den Vorstandstisch. In der Hand hielt er die beiden Zettel, die wir vorhin in Ingas Geheimspind gefunden hatten. Ich hatte das Gefühl, mein Herz müsse mir jeden Moment aus der Brust springen.
»Diese beiden Namen gehören auch auf die Liste«, sagte Herr Stark mit lauter Stimme. »Charlotte Steinberg und Dorothee Friese hatten sich ebenfalls für die Vorstandsposten beworben.«
Ich sah, wie Inga sich auf ihrem Stuhl aufrichtete und abwechselnd blass und rot im Gesicht wurde. Sie wusste schließlich, wo sich die beiden Zettel befunden hatten. Warum hatte sie sie nicht einfach weggeworfen? Herr Stark wandte sich zur Versammlung um. Es herrschte mit einem Mal Totenstille. Jeder hatte gemerkt, dass hier etwas nicht stimmte.
»Zu unserem großen Bedauern gibt es hier im Stall jemanden, der eine Intrige geschmiedet hat, die nicht nur mich, sondern den gesamten Vorstand und Herrn Kessler erschüttert und tief enttäuscht hat. Wir möchten wissen, auf welchem Weg diese beiden Zettel aus dem Vereinsbriefkasten in einen verschlossenen Spind gelangt sind!«
Inga saß auf ihrem Stuhl wie eingefroren.
»Außerdem«, fuhr Herr Stark fort, »hat jemand offenbar Kenntnis davon, wer am Tag der Reitabzeichenprüfung den Sattel von Charlotte Steinberg beschädigt hat.«
Aufgeregtes Gemurmel und Getuschel. Nur Inga rührte sich nicht. Was mochte jetzt in ihr vorgehen? Ahnte sie, dass sie bereits überführt war?
»Aber das soll hier nicht vor der Versammlung geklärt werden«, sagte Herr Stark. »Herr Kessler und ich möchten nach der Wahl mit dieser Person sprechen. So, und jetzt wünsche ich eine faire und gute Wahl zum Jugendvorstand.«
Damit ging er zurück zu Herrn Kessler, der an einem Tisch in der Nähe der Tür saß. Erregtes Stimmengewirr erhob sich in der Runde, jeder diskutierte mit seinen Nachbarn, und Gunter hatte alle Mühe, fünfzig Jugendliche wieder zur Ruhe zu bringen, um zur Tagesordnung überzugehen.
Ich traute meinen Augen kaum, als ich sah, wie unverfroren Inga sich an den Spekulationen zu beteiligen schien. Entweder war sie wirklich ahnungslos oder sie war eiskalt. Wahrscheinlich wäre ich, wenn ich an ihrer Stelle gewesen
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