Charlottes Traumpferd | Gefahr auf dem Reiterhof
Zorn und Hass.
»Eine Party?« Jetzt klang die Stimme von Herrn Schneider drohend. Wir wussten, dass er sehr streng war.
»Also«, mischte sich Herr Stark wieder ein, »es steht fest, dass Inga den Sattel von Charlotte beschädigt hat. Der Vorstand wird nun gemeinsam beraten, was wegen der Diebstähle aus dem Vereinsarchiv und dem unbefugten Zugriff auf den Vereinsbriefkasten sowie der Unterschlagung des leer stehenden Schließfaches geschehen soll. In meiner Eigenschaft als Mitglied des Vorstands untersage ich Inga ab sofort und bis zu einer endgültigen Entscheidung, diesen Stall oder das Gelände noch einmal zu betreten.«
»Und was ist mit Corsario?«, rief Inga schrill. »Mein Pferd steht immerhin hier! Ich muss reiten und …«
»Halt sofort den Mund!«, fiel ihr Vater ihr ins Wort. »Ich schäme mich für dich in Grund und Boden!«
Er ergriff Ingas Handgelenk.
»Ich rufe Sie an«, sagte er zu Herrn Stark, dann wandte er sich an mich. »Es tut mir leid, Charlotte. Natürlich werden wir für den Schaden aufkommen.«
Aber Inga sah noch immer nicht ein, dass sie auf ganzer Linie entlarvt war und verloren hatte.
»Mein Pferd!«, protestierte sie. »Ich lasse mir nicht verbieten, zu meinem Pferd zu gehen!«
»Du hast kein Pferd mehr!«, herrschte ihr Vater sie an. »Das kläre ich noch heute mit Herrn Friese. Du wirst nicht mehr reiten, bis du begriffen hast, was du da angerichtet und dich dafür entschuldigt hast!«
Ich konnte es nicht mehr ertragen, wollte Inga nicht mehr sehen. Das war alles zu viel für mich. Ich flüchtete aus der Sattelkammer, hinaus auf den Hof und in die Box von Won Da Pie. Mein Pferd hörte auf, sein Heu zu kauen und hob erstaunt den Kopf, als ich ihm um den Hals fiel. Ich schmiegte mein Gesicht an sein weiches Fell und vergrub meine Finger in seiner Mähne. Die Erkenntnis, dass ein Mensch, den ich gemocht und dem ich vertraut hatte, zu solchen Taten fähig war, erschütterte mich zutiefst. Plötzlich liefen mir die Tränen über das Gesicht. Ich verstand die ganze Welt nicht mehr. Warum hatte Inga diesen anonymen Brief überhaupt geschickt? Hatte sie wirklich geglaubt, man würde Doro und mich verdächtigen, meinen eigenen Sattel zerstört zu haben? Was hatte sie damit bezweckt?
Ich weinte noch ein bisschen, aber die gelassene Gleichgültigkeit, mit der Won Da Pie sich wieder seinem Heu zuwandte, beruhigte mich schließlich. Ich setzte mich unter seine Krippe und schlang die Arme um meine Knie. Draußen näherten sich Schritte.
»Charlotte?« Herr Kessler blickte wenig später über die Halbtür.
»Sind sie weg?«, fragte ich dumpf.
»Ja.«
»Ich kann nicht glauben, dass sie das getan hat.«
»Ich bin auch ziemlich schockiert«, gab der Reitlehrer zu. »Komm, steh mal auf. Oder soll ich mich mit meinem kaputten Bein etwa neben dich ins Stroh setzen?«
Die Vorstellung, wie Herr Kessler und ich in Won Da Pies Box einträchtig nebeneinander im Stroh saßen, brachte mich trotz allem zum Lächeln. Ich erhob mich, klopfte Heu und Strohhalme von meinen Kleidern.
»Warum hat Inga das getan?«, fragte ich wieder.
Der Reitlehrer sah mich nachdenklich an.
»Tja«, sagte er schließlich, »sie ist neidisch. Darauf, dass du besser reiten kannst als sie. Auf dein Pferd, auf deine Freundschaft mit Dorothee. Und sie hat sicherlich auch gespürt, dass sie nicht viele Freunde hier im Stall hat.«
»Aber sie war doch meine Freundin!«, entgegnete ich. »Ich habe sie gemocht! Ich verstehe das einfach nicht.«
»Man kann einem Menschen eben nur bis vor die Stirn gucken«, sagte Herr Kessler. »Leider werden dir in deinem Leben immer wieder Leute begegnen, die dich enttäuschen. Vielleicht nicht ganz so schlimm, wie Inga das jetzt getan hat, gerade weil du geglaubt hast, sie sei eine Freundin. So sind die Menschen eben.«
»Aber ich will das nicht.« Ich zog unglücklich die Nase hoch. »Ich will nicht enttäuscht werden.«
»Das wird dir wohl leider nicht erspart bleiben.« Herr Kessler seufzte. »Gerade dann nicht, wenn du etwas mehr hast oder besser kannst als andere. Es wird immer jemanden geben, der dir das, was du hast, neidet. Aber auf jedenFall hast du eine wirklich gute Freundin. Und das ist mehr, als manch anderer von sich behaupten kann.«
»Ja, Doro.« Mir gelang ein Lächeln. »Wir sind echt beste Freundinnen. Aber was wird jetzt mit Corsario passieren?«
»Das fragst du sie am besten selbst.« Der Reitlehrer öffnete mir von außen die Box. »Ich glaube, sie ist gerade
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