Charlottes Traumpferd | Gefahr auf dem Reiterhof
und versuchte, das letzte bisschen Rest Sekt, das sich noch in der Flasche befand, gerecht auf acht Becher zu verteilen. Mehr als ein Schluck für jeden war nicht mehr da, aber darum ging es gar nicht. Wir prosteten uns zu und tranken.
»Genau genommen«, bemerkte Beate, »hast du dich jetzt von uns bestechen lassen, oder?«
»Genau genommen«, entgegnete Alex würdevoll, »habt ihr mich bestochen, um eine Ordnungswidrigkeit zu verdecken. Jeder hat so seine Schwächen.«
Er drückte Karsten seinen leeren Becher in die Hand und klopfte Oliver auf die Schulter.
»Also weitermachen, Männer! Wir sehen uns morgen.«
Und damit war er verschwunden. Wir hockten noch eineWeile zusammen und quatschten, aber um acht verließen wir den Stall.
»Du bist ganz rot im Gesicht«, sagte Oliver auf einmal zu mir.
»Deine Pickel glühen«, bestätigte Karsten, der mir die Fotos für den Pickelprospekt und die hundert Euro noch immer nachtrug.
»Ich hab doch grad überhaupt keine Pickel«, widersprach ich.
»Aber glühen tust du trotzdem.« Oliver packte mich am Arm und Karsten griff mit beiden Händen in den Schnee.
»Nein!!!«, kreischte ich, aber ich hatte keine Chance, ihnen zu entkommen.
Im Nu war eine Schneeballschlacht im Gange, an der sich wenig später auch alle anderen beteiligten, die eben noch auf der Stallgasse gesessen und gequatscht hatten. Wir bewarfen uns gegenseitig mit dem pulvrigen Schnee, wälzten uns in der weißen Pracht, die unaufhörlich vom Himmel rieselte. Obwohl sich die Jungs erbittert wehrten, waren wir Mädchen ihnen zahlenmäßig überlegen, und so waren zum Schluss nicht nur wir bis auf die Knochen durchnässt.
Erschöpft und lachend verabschiedeten wir uns voreinander, als in der Reithalle die Lichter ausgingen, und liefen durch den Schnee nach Hause.
Das war ein herrlicher letzter Schultag gewesen!
»Findest du nicht auch, dass die Stimmung im Stall viel besser ist als früher?«, fragte ich Doro.
»Genau darüber hab ich grade nachgedacht«, erwidertemeine Freundin. »Seit Inga weg ist, gibt es überhaupt keine Streitereien mehr und wir verstehen uns alle gut.«
»Ja, das stimmt.« Ich nickte. »Es ist einfach herrlich! So müsste es für immer bleiben!«
Am nächsten Morgen konnte Corsario nicht mehr auf seinen rechten Vorderfuß auftreten. Sein Bein war dick angeschwollen und Herr Kessler, den Doro sofort gerufen hatte, machte ein ernstes Gesicht.
»Er hat einen Bogen auf der Sehne«, stellte er fest. »Offenbar hat er sich bei dem Sturz gestern doch schlimmer verletzt, als ich angenommen habe.«
Er richtete sich auf und humpelte davon, um den Tierarzt anzurufen. Kaum eine halbe Stunde später traf der junge Assistenztierarzt von Dr. Feldman, der Corsario vor ein paar Monaten untersucht hatte, im Stall ein. Er kniete neben dem Schimmel im Stroh und befühlte vorsichtig das angeschwollene Bein. Corsario zuckte bei jeder Berührung zusammen.
»Das sieht nicht gut aus«, sagte der Tierarzt und schüttelte bedauernd den Kopf. »Die tiefe Beugesehne ist verletzt. Um wirklich feststellen zu können, was er hat, musst du ihn zu uns in die Klinik bringen.«
»Ist es sehr schlimm?« Doro streichelte besorgt Corsarios Nase.
Der Tierarzt wiegte nachdenklich den Kopf. »Es ist kein gutes Zeichen, dass er gar nicht mehr auf den Fuß auftretenwill«, erwiderte er. »Ein Sehnenschaden ist zwar eine sehr langwierige Sache, aber durchaus heilbar. Ich vermute allerdings eine Verletzung des Fesselträgers, doch das müsste man mit einem Ultraschallgerät überprüfen.«
Mich überlief es bei diesen Worten kalt. Das waren alles andere als gute Nachrichten, und das eine Woche vor Weihnachten! Doro ging nach Hause, um ihren Eltern diese Hiobsbotschaft zu überbringen. Herr Kessler hatte sich bereit erklärt, Corsario in die Tierklinik zu transportieren, falls Doros Eltern einverstanden sein sollten. Schon eine halbe Stunde später kehrte meine Freundin in Begleitung ihres Vaters zurück.
Corsario sollte in die Klinik gebracht und dort untersucht werden.
»Die Chance hat der arme Kerl verdient«, sagte Doro zu mir. »Du kommst doch mit, oder?«
»Klar!« Ich konnte meine beste Freundin in einer solchen Situation unmöglich im Stich lassen. Ich rief zu Hause an und erklärte den Notfall. Da heute Samstag und überdies Ferien waren, hatte meine Mutter nichts dagegen einzuwenden, dass ich das Mittagessen ausfallen ließ.
Auf dem Hof vor dem Stall hatte Herr Kessler bereits den Pferdeanhänger an
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