Charlottes Traumpferd | Gefahr auf dem Reiterhof
Mähne, dort passte ein Sattelgurt nicht. Nur Herr Kessler behielt die Nerven und beschwichtigte seine Reiter. Endlich ertönte Applaus aus der Halle. Die Voltigierer hatten ihre Vorführung beendet und Frau Schlichte kam mit Sporty, dem Voltigierpferdder Anfängergruppe, in den Stall, gefolgt von fünfzehn ausgelassenen kleinen Mädchen, die ganz berauscht von ihrem ersten öffentlichen Auftritt waren. Natürlich folgten alle, die selbst nicht an der Quadrille teilnahmen, den Reitern in die Halle. Der Erste Vorsitzende nickte jedem der Reiter freundlich lächelnd zu. Dr. Gregori tauchte im Stall nur zu Feiern und offiziellen Veranstaltungen auf. Er war ein würdevoller Herr, den wir auf etwa achtzig schätzten, mit einem schneeweißen Haarkranz und einer Glatze voller Altersflecken. In seinem linken Ohr steckte ein Hörgerät. Es hieß, dass er in jungen Jahren Hindernisrennen und schwere Jagden geritten sei. Seine Frau trug einen bodenlangen Pelzmantel und war mit Gold und Brillanten behängt. Ihr schneeweißer Pudel hatte denselben Blaustich im Fell wie sie in ihrem Haar.
Doro, Isa, Merle, Gunter und ich standen am Waffelstand. Gunter schüttelte den Kopf, als Simon nun einfach an dem Ersten Vorsitzenden vorbeilatschte und dessen ausgestreckte Hand übersah.
»Du hast echt keinen Anstand im Leib!«, fuhr Gunter ihn an.
»Mein Gott, blas dich nicht so auf«, entgegnete Simon und griff sich einen Becher mit heißem Orangensaft. »Nur weil der Typ vor hundert Jahren mal ein paar Rennen gewonnen hat, muss ich ihm doch nicht die Füße küssen.«
»Ich glaube, es würde ihm schon reichen, wenn du ihm die Hand gibst«, sagte Isa trocken.
»Phhh«, machte Simon nur und verdrehte die Augen.
Während wir vor Herrn Stark oder Alex’ Vater, dem ZweitenVorsitzenden, großen Respekt hatten, war Herr Dr. Gregori für uns alle eine etwas nebulöse Figur.
»Auf die sportlichen Erfolge kommt es doch gar nicht an«, sagte Gunter, der manchmal ein ganz schöner Spießer sein konnte. »Der Erste Vorsitzende muss in erster Linie den Verein repräsentieren. Und Herr Dr. Gregori kennt alle und jeden. Das ist wichtig.«
»Seine Frau sieht auf jeden Fall selbst aus wie ein Weihnachtsbaum«, bemerkte Doro mit ihrer typisch spitzen Zunge. »Fehlen nur noch die Lichterketten.«
Wir kicherten. Nur Gunter machte ein strenges Gesicht.
Die Schulpferdequadrille klappte entgegen allen Befürchtungen wie am Schnürchen. Alle Pferde benahmen sich mustergültig und die zwölf Reiter und Reiterinnen bekamen tosenden Applaus. Während sie noch trocken ritten, kamen Isa und Nicole mit Natimo und Natascha in die Halle. Ihr Pas de Deux würde einer der Höhepunkte der Feier sein. Herr Stark kündigte die beiden Reiterinnen über das Mikrofon an und zählte ihre zahlreichen Turniererfolge auf.
»Hach«, sagte Cordula schwärmerisch. »Ich wünschte, ich könnte so reiten!«
Doro, Ralf, Karsten, Oliver und ich genehmigten uns einen dritten heißen Orangensaft. Wir hatten noch genug Zeit, denn nach dem Pas de Deux würde die Voltigiergruppe mit Gaby auftreten.
»Na, trinkt ihr euch Mut an?«, erkundigte sich Alex spöttisch. »Passt nur auf, dass ihr nicht gleich betrunken von euren Pferden fallt! Obwohl das sicher ganz komisch wäre.«
»Wir trinken doch gar keinen Glühwein«, sagte Doro empört.
»Idiot«, zischte Karsten, und Alex ging lachend weiter, um sich weiter vorn einen besseren Platz zu sichern.
»Pssst!«, machte Cordula und reckte den Hals. »Es fängt an.«
Zu den Klängen von Jingle Bells begannen Isa und Nicole ihren Ritt. Sie hatten in den letzten Wochen hart für diesen Auftritt trainiert und boten eine perfekte Vorführung. Obwohl mir Dressur längst nicht so gut gefiel wie Springreiten, so war ich doch immer wieder von Isas Reitkönnen fasziniert. Alles sah so leicht und anmutig aus, wenn sie den braunen Vollblüter Natimo im Viereck tanzen ließ. Atemlos sahen wir zu, wie die beiden Reiterinnen mit ihren Pferden Traversalen, fliegende Galoppwechsel, starken Trab und Galopppirouetten zeigten. Nicht ein einziges Mal ging etwas schief! Der Beifall für die beiden war so laut, dass die Pferde erschrocken scheuten. Aber Isa und Nicole strahlten trotzdem mit dem Weihnachtsbaum um die Wette. Gaby und die großen Voltigiererinnen trabten mit Flocki in die Bahn, und wir gingen los, um unsere Pferde zu satteln.
Ich schnallte gerade den Sattelgurt fest, als Herr Kessler und Herr Stark an die Box kamen.
»Sag mal, Charlotte«,
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