Charlottes Traumpferd | Gefahr auf dem Reiterhof

Jungs bei uns. Es war nicht so dunkel, wie ich gedacht hatte. Der Schnee reflektierte das Mondlicht. Die Stalltür knallte zu, das Licht ging aus.
    »Das war knapp«, sagte Doro und fing an zu lachen. Wir lachten auch, erleichtert und albern.
    »Ich hab Hunger«, stellte Karsten mit plötzlicher Ernüchterung fest. »Lasst uns wieder reingehen.«
    »Gute Idee«, stimmte Oliver ihm zu.
    »Ich schau noch mal nach Won Da Pie«, sagte ich schnell. »Nicht, dass er unter der Decke geschwitzt hat.«
    »Haltet uns einen Platz frei!«, rief Dorothee den Jungs nach, die schon die verschneite Auffahrt entlangstapften. Der Stall war abgeschlossen, deshalb mussten sie den Weg um den Reitplatz herum zum Haupteingang an der Kronberger Straße nehmen.
    »Und?«, fragte Dorothee neugierig. »Was schreibt er denn?«
    »Warte!« Ich hatte die Mail wieder aufgerufen und las die letzten Sätze.
    »Bitte lass mich nicht wieder sechs Monate auf eine Antwort warten«, hatte Thierry geschrieben. »Ach ja: Frohe Weihnachten!Je t’embrasse, TJ.«
    Je t’embrasse! Das hieß: Ich küsse dich!
    Mein Herz klopfte, als wäre ich hundert Meter auf derAschenbahn gesprintet. Mir war schwindelig, in meinem Kopf rasten die Gedanken. Ich zitterte innerlich, als hätte ich aus Versehen in eine Steckdose gegriffen.
    »Jetzt sag schon!«, drängte meine beste Freundin. »Was schreibt er?«
    »Och, nichts Besonderes«, brachte ich schließlich heraus und versuchte, es beiläufig klingen zu lassen. »Er hat mich auf Facebook angeklickt, aber ich hab da nie wieder reingeschaut. Und er ist ein paar Turniere geritten mit einem Pferd, das ich kenne.«
    Doro musterte mich aus schmalen Augen und stemmte die Hände in die Seiten.
    »Du grinst wie eine Irre!«, stellte sie fest. »Kannst mir nicht erzählen, dass er dir nur von Facebook und Turnieren geschrieben hat.«
    »Lass uns reingehen«, wich ich aus. Ich konnte das alles selbst gar nicht richtig fassen.
    Wir stapften schweigend durch den Schnee quer über den Reitplatz. Plötzlich blieb ich stehen, überwältigt von dem, was heute geschehen war. Zuerst meine Angst, dass Won Da Pie mich vor allen Leuten abwerfen würde, dann dieses unbeschreibliche Glücksgefühl, als ich mit ihm über die hohen Hindernisse geflogen war, und schließlich Thierrys E-Mail, die ich nicht erwartet hatte. Auf jeden Fall nicht wirklich erwartet hatte, schon gar nicht so ausführlich und … mit einem solchen Inhalt! Je t’embrasse …
    »Hey, Lotte, sag doch was!« Doro sah mich besorgt an. »Hast du einen Schock?«
    «Nee«, antwortete ich. »Aber ich glaube, ich werde krank.Meine Knie sind total weich, und mein Kopf ist irgendwie total leicht. Ich könnte die ganze Welt umarmen!«
    »Weißt du was?«, sagte Doro und packte mich an den Schultern. »Ich glaube, du bist nicht krank, sondern verliebt!«
    »Ach ja?« Ich musste grinsen. Und dann fing ich an zu lachen. Ich lachte und lachte, hüpfte in die Luft und ließ mich rücklings in den Schnee fallen. Oh ja, sie hatte recht! Ich war verliebt! Bis über beide Ohren. Das ganze Leben war schrecklich aufregend! Thierry würde schon in ein paar Wochen hier in Deutschland sein! Er hatte mich nicht vergessen, im Gegenteil! Und auf einmal freute ich mich. Ich freute mich auf Weihnachten und auf das nächste Jahr mit Won Da Pie, meinen Freunden im Reitstall und auf Thierry Juneau.

Neuhaus, Nele:
    Charlottes Traumpferd – Gefahr auf dem Reiterhof
    ISBN 978 3 522 65213 1

    Einbandgestaltung: Maria Seidel
    E-Book-Konvertierung: CPI – Ebner & Spiegel, Ulm
    © 2012, 2013 by Planet Girl Verlag
    (Thienemann Verlag GmbH), Stuttgart/Wien
    Alle Rechte vorbehalten. Unbefugte Nutzungen, wie etwa Vervielfältigung, Verbreitung, Speicherung oder Übertragung, werden zivil- oder strafrechtlich verfolgt.

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Leseempfehlung:
Neuhaus, Charlottes Traumpferd

    Als E-Book ebenfalls im Planet Girl Verlag erschienen:

    Nele Neuhaus
    Charlottes Traumpferd
    ab 10 Jahren
    ISBN 978 3 522 65147 9

    Als Charlottes Pflegepferd Gento verkauft wird, ist sie am Boden zerstört. Nie wieder will sie reiten – bis sie auf der französischen Insel Noirmoutier ihr Pferdeparadies findet. So hat Charlotte sich die Ferien gewünscht: Den Strand