Charlottes Traumpferd | Gefahr auf dem Reiterhof
eben Freunde.
Herr und Frau Kessler waren völlig überrascht und zu Tränen gerührt, als Doro, Simon, Dani und ich ihnen stellvertretend für die Jugend des Vereins das Abschiedsfotobuch überreichten. Jeder hatte etwas geschrieben, Erinnerungen an schöne, aufregende und lustige Ereignisse aus den vier Jahren, die Herr Kessler Reitlehrer im Bad Sodener Reitverein gewesen war.
»Daran müsst ihr doch wochenlang gearbeitet haben«, sagte Herr Kessler. »Woher habt ihr denn so früh gewusst, dass ich den Verein verlassen werde?«
Mein Blick traf den von Alex, der neben der schönen Nicole am Tresen lehnte. Er zog die Augenbrauen hoch. Wahrscheinlich erinnerte er sich daran, mich in der Schmiedeecke gesehen zu haben, nachdem er das Gespräch mit Herrn Stark in der Sattelkammer geführt hatte.
»Früher oder später erfahren wir eben alles«, erwiderte ich.
»Aber es ist schon etwas gemein von Ihnen, uns gar nichts zu erzählen«, sagte Simon vorwurfsvoll. »Stellen Sie sich mal vor, wir wären über Weihnachten in Urlaub gefahren und hätten im Januar erfahren, dass Sie nicht mehr da sind!«
»Stimmt.« Herr Kessler lächelte. »Aber da mein Nachfolger erst am 1. Februar anfangen kann, bleibe ich euch einen Monat länger erhalten. Ich hatte vor, das heute Abend offiziell bekannt zu geben.«
»Ach, es gibt schon einen Nachfolger? Und wo gehen Sie hin?«, fragte Susanne, und dann bestürmten ihn alle.
Herr Stark klatschte in die Hände und sorgte für Ruhe.
»Herr Kessler hat vier Jahre lang unseren Verein auf vorbildliche Weise unterstützt und mit seiner Arbeit dafür gesorgt, dass es so viele aktive Mitglieder gibt wie seit vielen Jahren nicht mehr«, sagte er. »An dieser Stelle möchte sich der Vorstand im Namen aller Vereinsmitglieder dafür ganz herzlich bedanken.«
Das Kasino war so voll, wie ich es noch nie erlebt hatte, und der Applaus, der nun folgte, ließ die Fensterscheiben erzittern. Ich zog mein Handy heraus, um ein paar Erinnerungsfotos zu machen, und da sah ich auf dem Display eine 1 neben dem Briefsymbol. Ich hatte eine E-Mail bekommen! Neugierig öffnete ich das Mailprogramm, und mir blieb beinahe das Herz stehen, als ich den Namen des Absenders las: Thierry Juneau. Das durfte doch wohl nicht wahr sein! Das Blut rauschte so laut in meinen Ohren, dass ich kein Wort von Herrn Starks Rede mitbekam, und ich zitterte innerlich, als ich die Mail öffnete.
»Charlotte!«, hatte Thierry geschrieben, natürlich auf Französisch. »Ich habe schon gedacht, du hast mich vergessen!!! Aber ich hatte deine Telefonnummer nicht und bei Facebook hast du nie auf meine Freundschaftsanfrage reagiert. (Ich hab dich nämlich gefunden, obwohl du kein Foto drin hast!) «
Tatsächlich hatte ich nie mehr bei Facebook reingeschaut und fast vergessen, dass ich dort überhaupt angemeldet war.
»Die Bilder von dir und Won Da Pie sind super. Weißt du noch, wie er mich abgeworfen hat? Ich war echt total sauer, als du dann plötzlich auf ihm gesessen hast, und kam mir wie der letzte Anfänger vor, aber … es freut mich riesig, dass ihr so einen Spaß habt. Ich reite wieder öfter, hab auch im Spätsommer ein paar Turniere geritten. Hier sind ein paar Fotos von mir, das Pferd kennst du, glaub ich. Hirondelle. Bisschen blöd, aber springt super.«
Er schrieb von Sophie, seiner Schwester, von Nicolas und Véronique, von der Schule. Ich konnte nicht fassen, wie lang die E-Mail war!
»… ab Januar mache ich so ein Austauschprogramm von der Schule aus mit. Hatte ich zwar nie Lust drauf, aber meine Eltern haben drauf bestanden, weil ich ziemlich miese Noten in Deutsch habe. Ich hab eine Gastfamilie in der Nähe von Frankfurt gefunden, die auch Pferde haben, das war meine Bedingung. Und bei Google Maps hab ich gesehen, dass das nicht so weit von dir weg ist: in Oberursel. Ich könnte Won Da Pie und dich ja mal besuchen kommen, wenn du willst …«
Lauter Applaus riss mich aus meiner Benommenheit. Plötzlich bemerkte ich, dass mich alle anstarrten.
»Grins ein bisschen und verbeug dich«, zischte Doro neben mir. Ich stand wie unter Schock.
»Thierry hat mir eine Mail geschrieben«, zischte ich zurück.
Herr Stark dankte dem Reitlehrer und allen Helferinnenund Helfern für eine wunderschöne und gelungene Weihnachtsfeier. Danach eröffnete er den geselligen Teil. Lauter Erwachsene klopften mir auf die Schultern und lobten mich.
»Komm her, Miss Pickel.« Oliver ergriff mein Handgelenk und zog mich mit in Richtung
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