Charlottes Traumpferd
Einladung zum Mittagessen lehnte ich mit der Ausrede, meine Eltern würden mich erwarten, ab und schnappte mein Fahrrad. Thierry wollte ich heute nicht mehr über den Weg laufen. Seine boshafte Bemerkung hatte mich tief verletzt, aber sie hatte mir auch vor Augen geführt, wie weit es mit meinen Reitkünsten wirklich her war. Eine gute Reiterin war ich noch lange nicht!
Zu Hause packte ich meine Badesachen ein und trottete niedergeschlagen zum Strand.
»Oh, welch seltener Besuch!«, rief Phil, als ich bei meiner Familie ankam und meine Tasche in den Sand warf.
Mein groÃer Bruder lieà noch ein paar dumme Sprüche folgen und ich wollte gerade wieder zurück zu unserem Ferienhaus gehen, um meine Ruhe zu haben, als jemand vorschlug, Volleyball zu spielen. Warum nicht? Ich war zwar kein Ass, aber es ging ja auch mehr um den SpaÃ. Zusammenmit Couasnons spielten wir eine Art Volleyball, wobei sich das Match zum gröÃten Teil im Wasser abspielte. Später ging es am Strand weiter mit einem selbst erfundenen Ballspiel, das von den Regeln her entfernt an Brennball erinnerte. Wir spielten Deutschland gegen Frankreich, bis jede Mannschaft ein paarmal gewonnen oder verloren hatte.
Um halb vier hatten sich Phil und Olivier beim Surfverleih »Locâ Wind« vorne in der Bucht Surfbretter reserviert. Papa und Jean-Paul waren neugierig und gingen mit, Cathrin, Hélène und ich schlieÃlich auch.
Eine ganze Clique junger Leute scharte sich um den Stand des Surfverleihs. Musik dröhnte aus einem Radio. Ein junger Mann in einem runtergerollten Neoprenanzug nahm zwei planches, Surfbretter, aus dem Gestell und händigte sie meinem Bruder und Olivier aus.
»Hallo, Mehlsack!«, rief auf einmal jemand und ich zuckte zusammen.
Mitten zwischen den braun gebrannten Jungen und Mädchen rekelte sich ausgerechnet Thierry auf seinem Handtuch. Ich wurde blutrot. Alle gafften mich neugierig an. Ich hasste es, so im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu stehen.
»Wieso Mehlsack?«, rief ein anderer Junge. »Die sieht doch ganz schnuckelig aus!«
»Dann müsstet ihr sie mal auf einem Gaul sitzen sehen«, erwiderte Thierry grinsend, und alle lachten.
Da packte mich eine wilde Wut. Dieser eingebildete Schnösel konnte was erleben! Ich marschierte zu ihm hin und stemmte die Hände in die Seiten.
»Du bist doch bloà sauer, weil ich dich neulich beim Wettrennen geschlagen habe!«, rief ich so laut, damit es jeder hören konnte, und lächelte spöttisch. »Und dann bist du sogar noch vom Pferd gefallen â wie ein Sack Kartoffeln!«
Thierry sprang auf. Er grinste nicht mehr, sondern sah richtig wütend aus. Und ziemlich süÃ, wie ich insgeheim zugeben musste.
»He, Thierry, das hast du uns gar nicht erzählt!«, rief eine Dunkelhaarige. »Ich denke, du bist so ein toller Reiter?«
»Hast du nicht gestern erst behauptet, du würdest immer gewinnen?«, fragte ein anderes Mädchen.
»Ein Mädchen hat dich beim Rennen geschlagen, oje!«, spottete einer der Jungen.
»Und vom Pferd ist er auch noch gefallen!«
»Puh, Thierry, schwache Leistung!«
Mein Herz klopfte heftig, aber mir gelang ein Grinsen und ich verschränkte die Arme vor der Brust. Ich hatte Thierry bloÃgestellt und nun amüsierte sich seine ganze Clique über ihn. Das konnte er überhaupt nicht vertragen.
»Du blöde Kuh!«, zischte Thierry, als er vor mir stand. »Das werde ich dir heimzahlen!«
Ich hätte mir gewünscht, wir könnten Freunde sein, doch danach sah es nicht aus.
»Du hast doch angefangen«, erwiderte ich. »Warum machst du dich immer über mich lustig? Ich habe dir doch gar nichts getan!«
Einen Moment funkelte Thierry mich zornig an, während die jungen Leute hinter ihm lachten und grölten. Aber inseinen unglaublich blauen Augen lag noch ein anderer Ausdruck als Wut, etwas, das mich irritierte. Ich senkte den Blick und Thierry erinnerte sich wieder an sein Macho-Image.
»Dämliche Weiber«, knirschte er und wandte sich ab.
Phil und Olivier hatten mittlerweile ihre Surfbretter fertig gemacht und schoben sie ins tiefere Wasser. Ich beobachtete, wie sie auf die Bretter kletterten und die Segel aus dem Wasser zogen. Das sah schon ziemlich gut aus. Wenig später surften die beiden aus der Bucht hinaus.
Ich ging zu Papa, Jean-Paul, Hélène und Cathrin. Hinter mir johlten und pfiffen
Weitere Kostenlose Bücher