Charlottes Traumpferd
der Reitbahn bedeutete er mir, mich neben ihn zu stellen.Won Da Pie legte die Ohren flach an und knirschte wieder ärgerlich mit den Zähnen, als Nicolas den Gurt fester anzog. Das konnte er nicht leiden!
Kaum, dass Nicolas die Longe in den Gebissring eingeschnallt hatte, schoss Won Da Pie los.
Der Reitlehrer hielt mit aller Kraft die Longe fest, trotzdem wurde er von dem braunen Wallach hinterhergezogen. Won Da Pie buckelte und bockte, dass es nur so krachte! Manchmal war er mit allen vier Beinen in der Luft, schlug aus, verdrehte seinen ganzen Körper und quiekte dabei.
Nach ein paar Minuten schien er genug Dampf abgelassen zu haben, doch nun raste er wie ein Rennpferd um uns herum. Urplötzlich stoppte er, schnaubte laut und sah uns mit gespitzten Ohren an. Seine Flanken pumpten, sein Fell war feucht vom SchweiÃ.
»Donnerwetter«, sagte Nicolas. Die Zigarette in seinem Mundwinkel war mittlerweile erloschen.
Er lieà den braunen Wallach noch einmal auf der anderen Hand gehen. Irgendwann fiel Won Da Pie vom Galopp in den Trab. Er hatte raumgreifende, schwungvolle Gangarten. Im Trab zog er die Vorderbeine sehr hoch, fast wie ein Hackney, den ich einmal vor einer Kutsche beim Pfingstturnier in Wiesbaden gesehen hatte. Knieaktion nannte man das, und es gefiel mir gut.
»So.« Nicolas rollte die Longe auf, bis das Pferd neben uns stand. Er reichte mir Longe und Peitsche, gurtete nach, entwirrte die Zügel und zog die Steigbügel herunter. »Jetzt wollen wir mal sehen, wie er sich unter dem Sattel benimmt.«
Doch so weit sollte es nicht kommen. Won Da Pie verdrehte die Augen und sah Nicolas misstrauisch an. Als der Reitlehrer den Fuà in den Steigbügel stellte, machte er einen heftigen Satz zur Seite und begann zu zittern.
»He, he, Junge. Was hast du denn?« Nicolas sprach beruhigend auf das Pferd ein. »Na komm, ich tue dir doch nichts ⦠ganz ruhig!«
Aber es wollte ihm nicht gelingen, in den Sattel zu steigen. Jedes Mal sprang Won Da Pie zur Seite. Er zitterte und begann zu schwitzen, seine Augen waren weit aufgerissen.
»Charlotte«, sagte Nicolas schlieÃlich atemlos, »geh und hol Thierry. Es wäre doch gelacht, wenn wir dieses Pferd nicht reiten könnten!«
Ich lief nach vorne zum Haus. Thierry saà im Büro am Schreibtisch, die FüÃe auf der Tischplatte und sein Handy am Ohr. Als er mich erblickte, zog er spöttisch die Augenbrauen hoch.
»Was gibtâs?«, fragte er unfreundlich.
Ich sparte mir auch einen GruÃ.
»Nicolas braucht dich«, richtete ich aus. »Wennâs geht, sofort.«
Thierry rollte die Augen und sagte noch etwas ins Telefon, dann klappte er das Handy zu und ging an mir vorbei, ohne mich noch eines Blickes zu würdigen. So ein eingebildeter Affe! Es geschah ihm ganz recht, dass er vom Pferd gefallen war.
Ich stellte mich an den Zaun des Paddocks neben Véronique, Cécile, Sophie und Rémy. Thierry hatte sich eine Reitkappe aufgesetzt und Chaps angezogen, und wir sahen gespannt zu, wie er nun vergeblich versuchte, in den Sattel zu gelangen. Mittlerweile war Won Da Pie einer Panik nahe.
»Charlotte, komm her!« Nicolas war am Ende seiner Geduld. Ich kletterte durch den Zaun und lief zu ihm.
»Du hältst ihn jetzt am Kopf«, befahl Nicolas mir. »Leg deine Hand über sein linkes Auge und sprich mit ihm. Lass ihn nicht los, bevor ich es dir sage, verstanden?«
Ich nickte und ergriff die Zügel. Won Da Pie sah mich aus flackernden Augen an, sein Fell war klatschnass, weiÃer Schaum tropfte ihm vom Hals und die Adern traten fingerdick unter seiner Haut hervor. Doch er schien sich zu beruhigen, als ich nun mit ihm sprach und vorsichtig die Hand über sein linkes Auge legte, damit er nicht sah, was sich neben ihm abspielte. Im Bruchteil einer Sekunde hatte Nicolas Thierry in den Sattel gehoben. Es dauerte allerdings keine drei Sekunden, bis Won Da Pie merkte, dass man ihn überlistet hatte.
»Lass los!«, rief Nicolas mir zu.
Thierry hatte die Zügel kurz genommen und saà locker im Sattel. Won Da Pie stand stocksteif da, seine Flanken pumpten heftig und er hatte die Ohren flach angelegt. Plötzlich riss er den Kopf hoch und rannte los. Er bockte wie ein Rodeopferd. Ein schlechterer Reiter als Thierry wäre sofort aus dem Sattel geflogen.
Ich war entsetzt und fühlte tiefes Mitleid mit dem Pferd. Es hatte Angst!
Thierry hielt sich tapfer ein paar
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