Charlston Girl
wiederhole ich.
Was folgt, ist Stille. Detective Inspector James hat fertig geschrieben und klappert mit seinem Stift herum. Er scheint eine Entscheidung zu fällen.
»Ich muss mal kurz mit einem Kollegen sprechen.« Er steht auf. »Bin gleich wieder da.«
Als die Tür hinter ihm ins Schloss fällt, wirft mir Sadie einen verächtlichen Blick zu.
»Besser ging es nicht? Der glaubt dir nie im Leben! Du wolltest mir doch helfen.«
»Indem ich wahllos Leute des Mordes beschuldige?«
»Sei nicht so eine Memme!«, sagt sie abfällig. »Du hast ja niemanden namentlich beschuldigt. Außerdem war deine Geschichte absolut nutzlos. Gift? Im Pub belauscht?«
»Versuch du mal, aus dem Stegreif so was zu erfinden!«, antworte ich trotzig. »Und das ist auch nicht der Punkt! Der Punkt ist...«
»Der Punkt ist, dass wir meine Bestattung verschieben müssen.« Plötzlich ist sie etwa zwei Daumenbreit vor mir, mit eindringlichem, flehentlichem Blick. »Das darfst du nicht zulassen. Das kannst du nicht machen. Noch nicht.«
»Aber...« Ich zwinkere, als sie sich direkt vor meinen Augen in Luft auflöst. Mein Gott, ist das nervig. Ich komme mir vor wie Alice im Wunderland. Jeden Augenblick taucht sie mit einem Flamingo unterm Arm auf und ruft: »Rübe ab!«
Vorsichtig lehne ich mich auf meinem Stuhl zurück, halbwegs in der Erwartung, dass der sich auch gleich auflöst, blinzle ein paar Mal und versuche, alles zu verdauen. Aber es ist einfach zu irreal. Ich sitze in einem Polizeirevier, erfinde einen Mord und lasse mich von einem nichtexistenten Phantom herumscheuchen. Und ich habe nicht mal zu Mittag gegessen. Vielleicht bin ich einfach unterzuckert. Vielleicht habe ich Diabetes, und das sind die ersten Anzeichen. Mein Hirn fühlt sich an, als hätte es sich verknotet. Nichts ergibt mehr einen Sinn. Es ist zwecklos, sich zu überlegen, was hier eigentlich passiert. Ich lasse es einfach geschehen.
»Sie werden der Sache nachgehen!« Sadie taucht wieder auf und spricht so schnell, dass ich ihr kaum folgen kann. »Die halten dich für leicht plemplem, aber sie werden der Sache trotzdem nachgehen, für alle Fälle...«
»Wirklich?«, sage ich ungläubig.
»Dieser Polizist hat mit einem anderen Polizisten gesprochen«, erklärt sie atemlos. »Ich bin ihnen gefolgt. Er hat ihm seine Notizen gezeigt und gesagt: ›Das ist mir vielleicht ein Früchtchen‹.«
»Früchtchen?«, wiederhole ich indigniert.
Sadie ignoriert mich. »Aber dann haben sie angefangen, sich über irgendein anderes Pflegeheim zu unterhalten, in dem es einen Mord gab. Grauenvoll. Und ein Polizist sagte, vielleicht sollten sie mal anrufen, für alle Fälle, und der andere gab ihm recht. Es ist also alles in Ordnung.«
In Ordnung?
»Bei dir vielleicht! Bei mir nicht!«
Als die Tür auffliegt, fügt Sadie eilig hinzu: »Frag den Polizisten, was wegen der Bestattung passieren soll. Frag ihn. Frag ihn!«
»Das ist nicht mein Problem...«, will ich sagen, dann bremse ich mich, als Detective Inspector James‘ Kopf in der Tür erscheint.
»Lara, ich werde einen Beamten bitten, Ihre Aussage aufzunehmen. Danach entscheiden wir, wie wir weiter vorgehen.«
»Oh. Äh... danke.« Ich spüre, dass Sadie mich vielsagend mustert. »Und was passiert mit...«, ich zögere. »Wie geht es weiter mit... der Toten?«
»Der Leichnam wird vorerst im Leichenschauhaus aufbewahrt. Sollten wir die Ermittlungen fortführen, wird er dort verbleiben, bis wir einen Bericht für den Gerichtsmediziner haben, der sicher eine Obduktion vornehmen möchte, falls die Beweise ausreichend glaubhaft und schlüssig sind.«
Er nickt kurz, dann geht er hinaus. Sobald die Tür zu ist, sinke ich in mich zusammen. Plötzlich zittere ich am ganzen Leib. Ich habe mir gerade eine Mordgeschichte ausgedacht und sie einem echten Polizisten erzählt. Das ist das Schlimmste, was ich je getan habe. Sogar noch schlimmer als damals, als ich mit acht ein halbes Päckchen Kekse aufgefuttert hatte und, statt es Mum zu beichten, die ganze Keksdose im Garten hinter den Steinen vergraben hatte und mit ansehen musste, wie Mum die ganze Küche danach absuchte.
»Bist du dir darüber im Klaren, dass ich eben einen Meineid geleistet habe?«, sage ich zu Sadie. »Bist du dir darüber im Klaren, dass die mich verhaften könnten?«
»Die könnten mich verhaften«, äfft mich Sadie spöttisch nach und lässt sich wieder auf dem Fensterbrett nieder. »Bist du noch nie verhaftet worden?«
»Natürlich nicht!« Ich glotze
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