Charlston Girl
sage ich in die Runde. »Ich muss kurz eine SMS schreiben...«
Ich nehme mein Handy und fange an zu tippen, halte es so, dass Sadie es sehen kann.
Lieber nicht. Du darfst ihn nicht zwingen. Wo bist du gewesen?
»Oder ich könnte ihn dazu bewegen, dass er dich fragt, ob du ihn heiraten willst!«, ruft sie, ohne meine Antwort zu beachten. »Was für ein Spaß! Ich sage ihm, dass er dich fragen soll und sorge dafür, dass er einen atemberaubenden Ring aussucht, und es wird ein Riesenspaß, wenn wir die Hochzeit planen ...«
Nein, nein, nein!, schreibe ich eilig. Sadie, nicht! Du darfst Ed nicht beeinflussen. Ich möchte, dass er seine Entscheidung freiwillig trifft. Ich möchte, dass er auf seine eigene Stimme hört.
Sadie grummelt vor sich hin, als sie meine SMS liest. »Na ja, ich finde meine Stimme interessanter«, sagt sie, was mich zum Lächeln bringt.
»Schreibst du deinem Freund?«, sagt Tonya, die mich beobachtet.
»Nein«, sage ich unverbindlich. »Nur... einer Freundin. Einer guten Freundin.« Ich wende mich ab und tippe weiter: Vielen Dank für alles, was du für mich getan hast. Das wäre doch nicht nötig gewesen.
»Gern geschehen!«, sagt Sadie. »Mir macht es Spaß! Habt ihr den Champagner schon getrunken?«
Nein , schreibe ich zurück und verkneife mir das Lachen. Sadie, du bist der beste Schutzengel ALLER Zeiten.
»Nun, ich bin ganz zufrieden mit mir.« Sie plustert sich auf. »Wo soll ich sitzen?«
Sie schwebt über den Tisch und setzt sich auf einen leeren Stuhl am Ende, als Kate gerade an den Tisch gelaufen kommt, ganz rot vor Aufregung.
»Ratet mal, was passiert ist!«, sagt sie. »Wir haben eben eine Flasche Champagner vom Laden an der Ecke bekommen! Der Mann sagte, es sei ein kleiner Willkommensgruß! Und du hattest haufenweise Anrufe, Lara. Ich hab die Nummern alle aufgeschrieben ... und die Post ist gekommen, weitergeleitet aus deiner Wohnung. Ich hab nicht alles mitgebracht, aber da war ein Päckchen, das wichtig sein könnte. Es kommt aus Paris...« Sie reicht mir einen wattierten Umschlag, nimmt sich einen Stuhl und strahlt in die Runde. »Habt ihr schon bestellt? Ich hab einen Bärenhunger! Hi, wir kennen uns noch nicht - ich bin Kate...«
Während Kate und Tonya sich begrüßen und Dad mir noch etwas Wein nachschenkt, starre ich den wattierten Umschlag an, atemlos vor Freude. Er kommt aus Paris. Mit mädchenhafter Handschrift. Wenn ich daran herumdrücke, fühle ich etwas Hartes, Hubbeliges. Hart und hubbelig wie eine Halskette.
Langsam blicke ich auf. Sadie beobachtet mich aufmerksam über den Tisch hinweg. Ich weiß, sie denkt dasselbe wie ich.
»Mach auf!« Sie nickt.
Mit zitternden Händen reiße ich den Umschlag auf. Ich spähe hinein und sehe eine Unmenge von Seidenpapier. Das schiebe ich beiseite und erkenne helles, schimmerndes Gelb. Ich blicke auf und sehe Sadie an.
»Sie ist es, oder?« Sadie ist weiß wie die Wand. »Du hast sie.«
Ich nicke, einmal nur. Und dann, ohne zu wissen, was ich eigentlich tue, schiebe ich meinen Stuhl zurück.
»Ich muss nur mal eben... telefonieren.« Plötzlich klingt meine Stimme kratzig. »Ich geh raus. Bin gleich wieder da...«
Ich fädle mich zwischen den Tischen und Stühlen hindurch in den hinteren Teil des Restaurants, wo es einen kleinen, geschützten Hinterhof gibt. Rasch gehe ich nach draußen, nehme das Knäuel Seidenpapier hervor und wickle die Kette aus.
Nach all der Zeit. Ich halte sie in Händen. Einfach so.
Sie fühlt sich wärmer an als erwartet. Irgendwie fassbarer. Sonnenlicht bricht sich im Strass, und die Perlen schimmern. Sie ist so traumhaft schön, dass ich sie am liebsten anlegen würde. Stattdessen jedoch blicke ich zu Sadie auf, die mich schweigend beobachtet.
»Da ist sie. Sie gehört dir.« Ich lege sie ihr um den Hals, wie eine olympische Medaille, doch meine Hände gehen glatt durch sie hindurch. Ich versuche es immer wieder, obwohl ich weiß, dass es keinen Sinn hat.
»Ich weiß nicht, was ich machen soll!« Halb lache ich, halb bin ich den Tränen nah. »Sie gehört dir! Du solltest sie tragen! Wir brauchen eine Geisterkette...«
»Hör auf!« Plötzlich wird Sadies Stimme laut. »Nicht...« Sie weicht zurück, mit starrem Blick auf das Pflaster des Hinterhofs. »Du weißt, was du zu tun hast.«
Es ist still, bis auf das stetige Dröhnen des Verkehrs in Kilburn. Ich kann Sadie nicht ansehen. Ich stehe nur da, halte die Kette in Händen. Ich weiß: Wir haben sie gesucht, verfolgt,
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