Charlston Girl
Verlegenheit.
»Bis später, Mann«, sagt er und schiebt sein Handy zusammen. »Hi.«
»Oh. Hi!« Ich gebe mir Mühe, lässig und entspannt zu klingen, als sei es von Anfang an mein Plan gewesen, mich bei Pret herumzutreiben, mit einem Wrap und einer Tüte Cracker in der Hand. »Nett... äh... Sie hier zu treffen. Tja, also, meine Verabredung... ist ins Wasser gefallen.« Ich räuspere mich. »In letzter Minute. Meine Freunde haben angerufen und abgesagt, und da dachte ich, ich hol mir schnell was zu essen... die Wraps hier sind fantastisch...«
Irgendwie zwinge ich mich, mein Plappern einzustellen. Warum sollte mir irgendwas peinlich sein? Wieso ist es ihm nicht peinlich? Er ist genauso erwischt worden wie ich.
»Aber ich dachte, Sie wären zum Essen verabredet«, sage ich leichthin und ziehe meine Augenbrauen hoch. »Was ist aus Ihren Plänen geworden? Auch abgesagt? Oder gehen Sie in ein so schickes Restaurant, dass Sie Angst haben, Sie könnten nicht satt werden?« Mit leisem Lachen werfe ich einen Blick auf seine Tüte und warte darauf, dass ihm unbehaglich wird.
Er zuckt nicht mal mit der Wimper. »Genau das hatte ich vor. Mir was zu essen zu kaufen und zu arbeiten. Ich fliege morgen ganz früh zu einer Konferenz nach Amsterdam. Ich halte dort ein Referat.«
»Oh«, sage ich platt.
Er verzieht keine Miene. Ich habe das Gefühl, er sagt die Wahrheit. Verdammt.
»Okay«, sage ich. »Na, dann...«
Es entsteht eine betretene Pause, dann nickt Ed höflich. »Schönen Abend noch.« Er marschiert aus dem Pret A Manger hinaus, und ich sehe ihm hinterher und fühle mich, als hätte er mich auf dem falschen Fuß erwischt.
Josh hätte mich nie auf dem falschen Fuß erwischt. Ich wusste , dass ich diesen Kerl nicht mag.
»Big Issue ?« Eine Stimme dringt in meine Gedanken.
»Oh.« Ich konzentriere mich auf den dürren Mann vor mir. Er ist unrasiert und trägt eine Wollmütze und den offiziellen Sticker eines Big Issue- Verkäufers. Ich habe ein schlechtes Gewissen wegen der vielen Male, die ich vorbeigegangen bin, weil mir der Aufwand zu groß war, und beschließe, alles wiedergutzumachen. »Ich nehme fünf Stück«, sage ich entschlossen. »Vielen Dank.«
»Besten Dank, junge Dame!« Der Mann deutet nickend auf meinen altmodischen Aufzug. »Schickes Kleid.«
Ich händige ihm das Geld aus und nehme fünf Zeitschriften, dann greife ich mir mein Abendessen und gehe zur Kasse. Ich bin noch immer dabei, mir die geistreiche, schnippische Antwort zu überlegen, die ich Ed hätte geben sollen. Ich hätte unbekümmert lachen und sagen sollen: »Wenn Sie sich nächstes Mal zum Abendessen verabreden, Ed, erinnern Sie mich daran...«
Nein, ich hätte sagen sollen: »Wirklich, Ed, als Sie Abendessen sagten...«
»Was ist Big Issue ?« Sadies Stimme bricht in meine Träume ein. Ich zwinkere ein paar Mal und bin plötzlich von mir selbst genervt. Wieso verschwende ich auch nur einen Gedanken an ihn? Wen interessiert schon, was er denkt?
»Eine Obdachlosenzeitschrift«, erkläre ich. »Das Geld geht an Projekte für Wohnungslose. Ist für einen echt guten Zweck.«
Ich sehe, wie Sadie das verdaut.
»Ich kann mich noch gut erinnern, wie Leute auf der Straße gelebt haben«, sagt sie mit abwesendem Blick. »Nach dem Krieg. Es sah so aus, als würde das Land nie wieder auf die Beine kommen.«
»Entschuldigen Sie, Sir, Sie dürfen das hier drinnen nicht verkaufen.« Plötzlich bemerke ich eine junge Angestellte, die den Big Issue- Verkäufer zur Tür hinausgeleitet. »Wir wissen Ihren Einsatz zu schätzen, aber es verstößt gegen die Firmenvorschrift...«
Ich beobachte den Mann durch die Glastür. Er scheint sich völlig damit abzufinden, dass man ihn vor die Tür setzt, und schon im nächsten Moment sehe ich, dass er seine Zeitung Passanten anbietet, die ihn gänzlich ignorieren.
»Kann ich Ihnen helfen?« Ich merke, dass mich eine Kassiererin ruft, und haste zur Kasse. Meine Kreditkarte hat sich ganz unten in meiner Tasche verklemmt, sodass ich eine Weile brauche, bis alles bezahlt ist, und Sadie kurz aus den Augen verliere.
»Was zum...«
»Ach, du Schande! Was ist da los?«
Plötzlich merke ich, dass alle Kassiererinnen durcheinander schreien und sich fragend ansehen. Langsam wende ich mich um. Ich traue meinen Augen nicht.
Alle Kunden stürmen aus dem Laden und bedrängen den Big Issue- Verkäufer auf dem Gehweg. Ich sehe, dass manche mehrere Ausgaben in Händen halten, andere werfen ihm Geld zu.
Nur ein
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