Charlston Girl
er gut aussieht.«
»Ja, vielleicht«, sage ich widerwillig. »Aber er hat keine Persönlichkeit.«
»Hat er wohl!«, sagt Sadie und sieht gekränkt aus.
Woher will sie das wissen? Ich musste doch das Gespräch bestreiten!
»Nein, hat er nicht! Er lebt seit Monaten in London und hält es nicht mal für nötig, sich umzusehen!« Ich zucke zusammen, als ich wieder in meinen Schuh steige. »Wie engstirnig muss man sein? Was für ein Mensch interessiert sich nicht für die großartigste Stadt der Welt?« Meine Stimme wird immer lauter. »Er hat es gar nicht verdient, hier zu leben.«
Als Londonerin nehme ich das ziemlich persönlich. Ich blicke auf, um zu sehen, was Sadie denkt, doch ihre Augen sind geschlossen, und sie summt. Sie hört mir gar nicht zu.
»Meinst du, ich würde ihm gefallen?« Sie schlägt die Augen auf. »Wenn er mich sehen könnte. Wenn er mit mir tanzen könnte.«
Ihre Augen leuchten derart hoffnungsvoll, dass mein Arger verfliegt. Ich bin dumm. Ist es nicht egal, wie dieser Kerl ist? Er hat ja nichts mit mir zu tun. Es ist Sadies Abend.
»Ja«, sage ich so überzeugend, wie ich kann. »Ich glaube, er würde sich in dich verlieben.«
»Das glaube ich auch.« Sie sieht zufrieden aus. »Weißt du eigentlich, dass dein Kopfschmuck schief sitzt?«
Ich zupfe daran herum und betrachte mich mürrisch im Spiegel.
»Ich sehe so was von albern aus.«
»Göttlich siehst du aus. Du bist das hübscheste Mädchen im ganzen Laden. Von mir mal abgesehen«, fügt sie hinzu.
»Bist du dir darüber im Klaren, wie dämlich ich mir vorkomme?« Wieder reibe ich an meinen Wangen herum. »Nein, natürlich nicht. Du kümmerst dich nur um dein Date.«
»Ich will dir mal was sagen«, sagt Sadie und betrachtet mich kritisch im Spiegel. »Du hast einen Mund wie ein Filmstar. Zu meiner Zeit wären die Mädchen für so einen Mund gestorben. Du hättest in Schwarzweißfilmen auftreten können.«
»Ja, klar.« Ich verdrehe die Augen.
»Sieh dich an , du Dussel! Du siehst aus wie ein Star!«
Widerstrebend blicke ich wieder in den Spiegel und versuche, mir mich vorzustellen, in flackerndem Schwarzweiß, an Eisenbahngleise gefesselt, während ein Klavier bedrohliche Musik spielt. Eigentlich... hat sie recht. Genauso sehe ich nämlich aus.
»Oh, Sir, bitte verschont mich!« Ich nehme vor dem Spiegel eine Pose ein und klimpere mit den Wimpern.
»Absolut! Du wärst der Liebling der Leinwand gewesen.« Sadie sieht mir in die Augen, und unwillkürlich grinse ich zurück. Das hier ist das merkwürdigste, bescheuertste Date meines Lebens, aber irgendwie ist ihre Laune ansteckend.
Als wir wieder in die Bar kommen, sehe ich, dass Ed noch immer mit Genevieve plaudert. Elegant lehnt sie an einem Sessel, mit lässiger Pose, um Ed ihre große, schlanke Figur zu präsentieren. Ich merke, dass er davon gar nichts merkt, was ihn mir etwas sympathischer macht.
Aber Sadie hat es bemerkt. Ärgerlich versucht sie, Genevieve mit den Ellbogen aus dem Weg zu schieben, und schreit ihr »Hau ab!« ins Ohr, doch Genevieve ignoriert sie völlig. Sie scheint aus hartem Holz zu sein.
»Lara!« Genevieve begrüßt mich mit aufgesetztem Lächeln. »Es tut mir leid. Ich wollte Ihr kleines Tête-à-tête mit Ed nicht stören!«
»Keine Sorge«, antworte ich und lächle ebenfalls.
»Kennen Sie sich schon lange?« Mit elegantem, seidenem Handgelenk deutet sie zwischen Ed und mir hin und her.
»Nicht lange, nein.«
»Und woher kennen Sie sich?«
Ich werfe Ed einen verstohlenen Blick zu. Die Frage verunsichert ihn so sehr, dass ich fast lachen muss.
»Es war im Büro, nicht?«, sage ich, um ihm zu helfen.
»Im Büro. Ja.« Ed nickt erleichtert.
»Na!« Geneviève stößt ein so helles, trällerndes Lachen aus, wie man es nur tut, wenn man eigentlich von irgendwas total genervt ist. »Ed, Sie sind mir vielleicht ein stilles Wasser! Ich hatte ja keine Ahnung, dass Sie eine Freundin haben!«
Für den Bruchteil einer Sekunde treffen sich unsere Blicke, und ich sehe, dass Ed von der Idee genauso begeistert ist wie ich.
»Sie ist nicht meine Freundin«, sagt er sofort. »Ich meine, das ist nicht...«
»Ich bin nicht seine Freundin«, stimme ich eilig mit ein. »Wir sind nur... es ist eine einmalige Sache...«
»Wir haben uns nur auf einen Drink getroffen«, fügt Ed mit an.
»Wir sehen uns wahrscheinlich nie wieder.«
»Wahrscheinlich nicht«, stimmt Ed mir zu. »Bestimmt nicht.«
Beide nicken wir bekräftigend. Tatsächlich haben wir uns zum
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