Charlston Girl
Güte, so spät schon! Ich muss los. Meine Begleitung wartet sicher längst.« Ich widerstehe der Versuchung, »im Lyle Place, bei Champagner« hinzuzufügen.
»Ja, ich hab auch noch was vor.« Er nickt. »Dann sollten wir vielleicht...«
Er ist zum Essen verabredet. Natürlich ist er das. Wahrscheinlich warten viel wichtigere Dates auf ihn.
»Ja, das sollten wir. Es war... lustig.«
Wir stehen beide auf, bedenken die Geschäftsleute mit unverbindlichen Abschiedsgesten, verlassen die Bar und treten draußen auf den Bürgersteig.
»Also.« Ed zögert. »Danke für...« Es scheint, als würde er sich vorbeugen wollen, um mir ein Küsschen auf die Wange zu geben, dann überlegt er es sich anders und reicht mir stattdessen die Hand. »War nett. Wegen des Business People- Dinners sage ich noch Bescheid.«
Seine Miene ist so leicht zu deuten, dass er mir fast leid tut. Schon jetzt fragt er sich, wie zum Teufel er in diese Lage gekommen ist, aber nachdem er mich vor Zeugen eingeladen hat, kann er jetzt kaum noch einen Rückzieher machen.
»Also... ich muss hier lang...«, fügt er hinzu.
»Ich muss in die andere Richtung«, antworte ich sofort. »Danke noch mal. Ciao!« Eilig mache ich auf dem Absatz kehrt und marschiere die Straße entlang. Was für ein Fiasko!
»Wieso geht ihr schon so früh nach Hause?«, keift mir Sadie barsch ins Ohr. »Du hättest ihm vorschlagen sollen, noch in einen Nachtclub zu gehen!«
»Ich bin zum Abendessen verabredet. Schon vergessen?«, sage ich spitz. »Genau wie er.« Abrupt bleibe ich auf dem Gehweg stehen. Ich hatte es so eilig loszukommen, dass ich in die völlig falsche Richtung renne. Ich mache kehrt und blicke die Straße hinauf, aber von Ed ist nichts zu sehen. Er scheint es genauso eilig gehabt zu haben wie ich.
Als ich die ganze Straße wieder zurücklaufe, kriege ich langsam Hunger und bemitleide mich selbst. Ich hätte mich tatsächlich zum Essen verabreden sollen. Ich gehe in einen Pret A Manger und sehe mir die Sandwiches an. Ich beschließe, mir einen Wrap, einen Becher Suppe und einen Schokoladenbrownie zu holen. Ich hau mal so richtig auf den Putz.
Gerade will ich mir einen Smoothie nehmen, als sich eine vertraute Stimme aus dem sanften Geplapper der Kundschaft heraushebt.
»Pete. Hey, Mann. Wie geht‘s?«
Verdutzt sieht Sadie mich an.
Ed?
Instinktiv schrecke ich zurück und versuche, mich hinter einem Regal mit Bio-Chips zu verstecken. Ich suche die Schlangen der Leute ab und bleibe an einem teuren Mantel hängen. Da ist er. Kauft sich ein Sandwich und telefoniert. Das ist also seine so genannte Verabredung zum Abendessen?
»Er war überhaupt nicht verabredet!«, knurre ich. »Er hat gelogen!«
»Genau wie du.«
»Ja, aber...« Ich bin doch leicht empört. Ich weiß gar nicht, wieso.
»Das ist gut. Wie geht‘s Mom?« Eds Stimme ist im allgemeinen Gemurmel deutlich herauszuhören.
Heimlich sehe ich mich um, auf der Suche nach einem Fluchtweg, aber dieser Laden hat überall riesige Spiegel. Bestimmt wird er mich sehen. Ich muss es hier aussitzen, bis er weg ist.
»Sag ihr, ich habe den Brief vom Anwalt gelesen. Ich glaube nicht, dass die was machen können. Ich schick ihr heute Abend noch ´ne Mail.« Er hört einen Moment zu. »Pete, das ist doch kein Problem, es dauert höchstens fünf Minuten...« Dann hört er wieder zu, diesmal länger. »Mir geht es gut hier. Wirklich. Es ist wunderbar. Es ist...« Er seufzt, und als er weiterspricht, klingt er etwas müde. »Komm schon. Es ist, wie es ist. Das weißt du doch. Ich hatte einen seltsamen Abend.«
Erwartungsvoll verkrampft sich meine Hand um eine Tüte Gemüse-Cracker. Sagt er gleich was über mich?
»Ich habe gerade viel zu viel Zeit mit der unausstehlichsten Frau der Welt vergeudet.«
Ich kann nicht anders, als gekränkt zu sein. Ich war nicht unausstehlich! Okay, vielleicht bin ich etwas sonderbar gekleidet ...
»Du kennst sie vielleicht. Genevieve Bailey? DFT? Nein, wir waren nicht verabredet. Ich war mit...« Er zögert. »Es war eine komische Situation.«
Ich bin so damit beschäftigt, mit dem Chips-Regal eins zu werden, dass ich Ed gar nicht mehr im Auge habe. Ganz plötzlich jedoch merke ich, dass er bezahlt hat und den Laden verlassen will, mit einer Tüte in der Hand. Gleich kommt er an mir vorbei. Ganz nah, nur Zentimeter... bitte guck nicht her...
Scheiße.
Als könnte er meine Gedanken lesen, blickt er nach rechts...
und sieht mir in die Augen. Er zeigt Überraschung, aber keine
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