Charlston Girl
sein Haar, als er die große Treppe hinaufblickt. Er sieht so uncool und machtlos aus, dass ich fast loslachen möchte.
»Diamanté!«, ruft er. »Du kommst sofort hierher!«
»Leck mich!«, hört man aus der Ferne.
»Diamanté!« Onkel Bill macht sich auf den Weg, die breite Treppe hinauf. »Das war‘s. Ich lasse mich von dir nicht...«
»Sie hat sie!« Plötzlich höre ich Sadies Stimme an meinem Ohr. »Sie hat sie genommen! Wir müssen sie uns schnappen. Du gehst hinten rum und ich bewache die Treppe.«
Ich rapple mich auf, laufe den Gang zurück, durch die Waschküche und auf den Rasen hinaus. Atemlos sprinte ich ums Haus, egal ob mich jemand sieht... und bleibe stehen, wie vom Donner gerührt. Scheiße.
Diamanté sitzt in einem schwarzen Porsche-Cabrio und rast über den Kies zum Tor, das der Wachmann ihr eiligst öffnet.
»Neeeiiinn!«, entfährt mir ein Schrei.
Als sie durchs Tor fährt, bremst sie kurz, zeigt mit den Fingern ein V und braust davon. In der anderen Hand kann ich gerade noch Sadies Kette sehen, um die Finger gewickelt, glitzernd im Sonnenschein.
13
Es gibt nur eine Möglichkeit: Das ist kein Strass - es sind Diamanten. Die Kette ist mit seltenen, alten Diamanten besetzt und Millionen Pfund wert. Es muss einfach so sein. Mir will kein anderer Grund einfallen, wieso Onkel Bill sich sonst dafür interessieren sollte.
Ich habe alle möglichen Websites über Diamanten und Schmuck gegoogelt, und es ist schon erstaunlich, was Leute für einen 10,5-karätigen Diamanten von »hochfeinem Weiß« hinlegen, der 1920 ausgegraben wurde.
»Wie groß war der größte Stein in deiner Kette?«, frage ich Sadie zum hundertsten Mal. »Ungefähr.«
Sadie seufzt vernehmlich. »Anderthalb Zentimeter vielleicht?«
»Hat er doli geglitzert? Machte er einen makellosen Eindruck? Das könnte sich auf seinen Wert auswirken.«
»Plötzlich interessiert dich nur noch der Wert meiner Kette.« Sadie betrachtet mich ärgerlich. »Ich hätte nicht gedacht, dass du so geldgierig bist.«
»Ich bin nicht geldgierig!«, sage ich gekränkt. »Ich versuche nur herauszufinden, wieso Onkel Bill sie haben will! Er würde seine Zeit nicht damit vergeuden, wenn sie nicht einen gewissen Wert hätte.«
»Was macht es schon? Wir kriegen sie ja doch nicht wieder.«
»Natürlich kriegen wir sie wieder!«
Ich habe einen Plan, und der ist ziemlich gut. In der Woche seit wir in Onkel Bills Haus waren, habe ich mein detektivisches Talent zum Einsatz gebracht. Erstens habe ich alles über Diamantes nächste Tutus & Pear´s-Modenschau herausgefunden. Sie findet kommenden Donnerstag im Sanderstead Hotel statt. Um 18:30 Uhr. Handverlesene Gästeliste. Das Problem war nur, dass ich mir nie im Leben vorstellen konnte, auf dieser Gästeliste zu landen angesichts der Tatsache, dass ich weder Fotografin bei Hello , noch eine von Diamantés Promi-Freundinnen bin und auch keine vierhundert Pfund für ein Kleid ausgeben kann. Dann kam mein Meisterstück. Ich habe Sarah eine freundliche Mail geschrieben, dass ich Diamanté gern bei ihrer Modenschau zur Seite stehen würde und ob ich nicht bei Gelegenheit rüberkommen und mit Onkel Bill darüber sprechen könnte. Ich schlug vor, es einfach mal auf gut Glück zu versuchen. Vielleicht schon morgen!!! Sicherheitshalber fügte ich noch ein paar Smileys hinzu.
Sarah mailte sofort zurück, Bill sei momentan etwas beschäftigt, und morgen sollte ich auf keinen Fall kommen, aber sie wollte Diamantés persönliche Assistentin darauf ansprechen. Und schon bekam ich per Fahrradkurier zwei Tickets. Ehrlich, es ist total einfach zu bekommen, was man haben will, wenn die Leute einen für gaga halten.
Blöd ist nur, dass der zweite und entscheidende Teil meines Planes - mit Diamanté zu sprechen und die Kette von ihr gleich nach der Show zurückzufordern - bisher fehlgeschlagen ist. Ihre Assistentin will mir weder sagen, wo sie ist, noch mir ihre Handynummer geben. Angeblich hat sie mir eine Nachricht geschickt, aber ich weiß von nichts. Wieso sollte Diamanté sich auch bei ihrer nichtigen, millionenlosen Cousine melden?
Sadie war in Diamantés Büro in Soho, um nachzusehen, ob sie und die Kette dort aufzutreiben wären, aber offenbar hat Diamanté noch nie einen Fuß in dieses Büro gesetzt. Hier arbeiten nur ihre Assistenten, und sämtliche Kleider werden von einer Firma in Shoreditch hergestellt. Das nützt uns also nichts.
Dann bleibt mir nur noch eins. Ich werde zu dieser Show gehen müssen, das
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