Charlston Girl
nutzen?«
Sie möchte mich wohl wirklich gern loswerden.
»Dieser Wagen ist gut, danke«, sage ich fröhlich. »Steig ein!«, knurre ich Sadie an. »Wir reden drinnen weiter.«
»Bitte?« Sarah runzelt die Stirn.
»Bin nur... am Telefon. Winziges Headset.« Ich tippe mir ans Ohr und steige eilig in den Wagen.
Die Tür fällt zu, und wir gleiten zum Tor. Ich sehe, dass die Trennscheibe geschlossen ist, sinke in die Polster und betrachte Sadie.
»Das ist unglaublich! Wie hast du sie gefunden?«
»Ich hab einfach gesucht.« Sie zuckt mit den Schultern. »Ich habe in allen Schränken und Schubladen und im Safe nachgesehen...«
»Du warst in Onkel Bills Safe?« Mir fehlen die Worte. »Wow. Was ist da drin?«
»Papiere und hässlicher Schmuck«, sagt Sadie ungeduldig. »Ich wollte schon aufgeben, als ich an dieser Frisierkommode vorbeikam. Da lag sie.«
Ich kann es nicht glauben. Ich platze vor Wut. Eben saß mir Onkel Bill gegenüber und sagte, er wüsste nichts von einer Libellenkette. Ohne mit der Wimper zu zucken. Er ist so ein verlogener... Lügner. Wir müssen einen Plan schmieden. So schnell ich kann, greife ich in meine Tasche und hole Schreiber und Notizbuch hervor.
»Hier ist doch irgendwas im Busch«, sage ich und schreibe »Plan X« ganz oben auf die Seite. »Es muss einen Grund dafür geben, dass er sie mitgenommen hat und dass er lügt.« Frustriert wische ich an meiner Stirn herum. »Aber welchen? Wieso ist sie ihm so wichtig? Weißt du noch irgendwas über diese Kette? Hat sie eine besondere Geschichte... oder Sammlerwert...?«
»Mehr willst du nicht tun?« Sadies Stimme explodiert. »Nur reden, reden, reden? Wir müssen sie holen! Du musst durchs Fenster klettern und sie holen! Jetzt gleich!«
»Ah...« Ich blicke von meinem Notizbuch auf.
»Es ist bestimmt ganz einfach«, fügt Sadie arglos hinzu. »Du kannst deine Schuhe ausziehen.«
»Stimmt.«
Ich nicke. Wenn ich die Wahrheit sagen soll, fühle ich mich dieser Idee nicht ganz gewachsen. In Onkel Bills Haus einbrechen? Jetzt gleich? Ohne einen Plan?
»Das Problem ist nur«, grüble ich, »dass er haufenweise Wachleute, Alarmanlagen und so Zeug hat.«
»Na und?« Sadies Augen werden schmal. »Hast du etwa Angst vor ein paar Alarmanlagen?«
»Nein!«, sage ich sofort. »Natürlich nicht.«
»Ich wette, doch! «, kreischt sie höhnisch. »In meinem ganzen Leben habe ich noch nie so eine Memme gesehen! Du rauchst nicht, weil es gefährlich ist! Du schnallst dich im Motorwagen mit einem Gurt an, weil es gefährlich ist! Du isst keine Butter, weil es gefährlich ist!«
»Ich denke nicht, dass Butter gefährlich ist«, erwidere ich leicht indigniert. »Es ist nur so, weißt du, Brotaufstrich aus Olivenöl hat die besseren Fette...«
Mein Satz verendet, als ich Sadies boshaften Blick sehe.
»Kletterst du durch das Fenster und holst meine Kette?«
»Ja«, sage ich nach einer Pause von nur einem Sekundenbruchteil . »Selbstverständlich.«
»Na, dann los! Halt den Wagen an!«
»Hör auf, mich rumzukommandieren!«, sage ich ärgerlich. »Das wollte ich gerade.«
Ich beuge mich vor und öffne die Trennscheibe zwischen uns und dem Fahrer. »Entschuldigen Sie? Mir wird hier hinten beim Fahren schlecht. Würden Sie mich bitte rauslassen? Ich fahre mit der U-Bahn nach Hause. Nichts gegen Ihren Fahrstil«, füge ich eilig hinzu, als ich seinen fragenden Blick im Rückspiegel sehe. »Sie machen das super. Wirklich... äh... sehr ruhig und elegant.«
Der Wagen hält an, und der Fahrer dreht sich skeptisch um. »Ich soll Sie bis an Ihre Haustür begleiten.«
»Keine Sorge«, sage ich und klettere hinaus. »Ehrlich, ich brauch nur etwas frische Luft, vielen Dank...«
Ich stehe schon auf dem Bürgersteig. Rasch knalle ich die Tür zu und winke dem Fahrer. Der wirft mir einen letzten, skeptischen Blick zu, dann wendet er und fährt wieder zurück zu Onkel Bills Haus. Sobald er nicht mehr zu sehen ist, trete ich den Rückweg an, wobei ich mich unauffällig an den Rand der Straße drücke. Als ich um die Ecke biege, sehe ich Onkel Bills Tor vor mir und bleibe stehen.
Das Tor ist geschlossen und massiv. Der Wachmann sitzt in seiner Glasbox. Überall sind Videokameras. Man spaziert nicht so einfach in Onkel Bills Haus hinein. Ich brauche eine Strategie. Ich hole tief Luft und gehe zum Tor, gebe mich so unschuldig wie möglich.
»Hi! Ich bin´s noch mal, Lara Lington«, sage ich in die Gegensprechanlage. »Ich habe meinen Regenschirm vergessen. So
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