Chasm City
auf das Wort von Fremden zu verlassen«, sagte der Mann. »Geben Sie mir eine von den Ampullen.«
Noch ein kalkuliertes Risiko. Der Mann mochte mit der einen Ampulle davonlaufen, aber ich hätte ja immer noch die anderen.
»Ich werfe sie Ihnen zu. Ist das ein Angebot?«
Der Mann trat ein paar Schritte näher. »Dann mal los.«
Ich warf ihm die Ampulle zu. Er fing sie geschickt auf und verschwand damit in der Gondel. Die Frau blieb draußen und hielt mich weiter mit ihrer kleinen Waffe in Schach. Wenige Augenblicke später kam der Mann zurück. Er hatte nicht einmal seinen Hut wieder aufgesetzt und hielt die Ampulle in die Höhe.
»Das… scheint tatsächlich das Originalprodukt zu sein.«
»Was haben Sie gemacht?«
»Mit einer Lampe angestrahlt natürlich.« Er sah mich an, als wäre ich ein Idiot. »Traumfeuer hat ein unverwechselbares Absorptionsspektrum.«
»Gut. Nachdem Sie sich jetzt von der Echtheit der Ware überzeugt haben, werfen Sie mir die Ampulle zurück, dann verhandeln wir über die Bedingungen.«
Der Mann holte zum Wurf aus, zog aber im letzten Moment die Hand zurück und hielt die Ampulle hoch, wie um mich zu verhöhnen. »Nein… wir wollen nichts überstürzen. Sie behaupten, Sie hätten noch mehr davon? Traumfeuer ist heutzutage Mangelware. Zumindest guter Stoff. Sie müssen da auf einen wahren Schatz gestoßen sein.« Er hielt inne. »Ich habe Ihnen einen Gefallen getan. Betrachten wir diese Ampulle damit als bezahlt. Ich habe eine weitere Seilbahngondel angefordert, die Sie in Kürze hier abholen soll. Hoffentlich haben Sie nicht gelogen, was ihre Vermögenssituation angeht.« Er nahm die Brille ab. Seine Augen waren eisengrau und wirkten ausgesprochen grausam.
»Ich danke Ihnen«, sagte ich. »Aber was würde es für eine Rolle spielen, wenn ich gelogen hätte?«
»Eine sonderbare Frage.« Die Frau ließ ihre Waffe wie durch Zauberei verschwinden. Vielleicht war sie in ein Ärmelhalfter zurückgeschnellt.
»Ich sagte doch schon, ich bin neugierig.«
»Es gibt hier kein Gesetz«, sagte sie. »Im Baldachin halten wir uns an gewisse Regeln – aber nur, so weit es uns gefällt; nur, was uns entspricht, eine Art von Spielplatzordnung wie bei den Kindern. Doch jetzt sind wir nicht im Baldachin. Hier unten ist alles erlaubt. Und wir haben wenig Verständnis, wenn man uns betrügt.«
»Das geht in Ordnung«, sagte ich. »Ich bin auch kein sehr verständnisvoller Mensch.«
Die beiden stiegen in ihre Gondel und ließen die Türen noch einen Moment lang offen. »Vielleicht sehen wir uns im Baldachin wieder«, sagte der Mann und lächelte. Es war kein angenehmes Lächeln. Es erinnerte mich an die Schlangen in den Vivarien im Reptilienhaus.
Dann klappten die Türen zu, und das Fahrzeug erwachte mit kaum hörbarem Summen zum Leben.
Die drei Teleskoparme auf dem Dach schwenkten schräg nach oben, fuhren blitzschnell auf das Doppelte, das Dreifache und schließlich das Vierfache ihrer Länge aus und tasteten himmelwärts. Ich schirmte meine Augen gegen den lauen Regen ab und schaute ihnen nach. Der Rikschafahrer hatte mir erklärt, die Kabel, die sich zwischen den verwachsenen Gebäuden des Baldachins spannten, hingen gelegentlich wie Weinreben bis in den Mulch herunter, aber ich hatte nicht weiter darauf geachtet. Jetzt sah ich den Sinn dieser Einrichtung. Einer der Gondelarme erfasste mit seiner Klaue das unterste Kabel. Die anderen beiden Arme fuhren noch weiter aus, bis sie das Zehnfache der ursprünglichen Länge erreicht hatten, dann suchten sie sich geeignete Kabel und packten ebenfalls zu.
Und schließlich hob die Gondel ab – so ruhig wie mit Schubdüsen gesteuert – und nahm Fahrt auf. Der eine Arm ließ sein Kabel los, zog sich zusammen und schnellte wie eine Chamäleonzunge nach oben, bis er ein neues Kabel gefunden hatte. Die Gondel stieg ein Stück höher, wieder wechselte ein Arm das Kabel, und das setzte sich fort, bis das Gefährt Hunderte von Metern über mir war und immer kleiner wurde. Noch immer war die Bewegung unheimlich fließend, obwohl man ständig fürchtete, ein Arm würde ins Leere greifen und der ganze Kasten in den Mulch zurückstürzen.
»He, Mister. Immer noch da?«
Während ich der Gondel nachschaute, war die Rikscha zurückgekehrt. Ich hätte eigentlich erwartet, dass der Fahrer, Profit hin oder her, vernünftig genug wäre, wieder zur Bahnhofshalle zu fahren, aber Juan hatte Wort gehalten. Wenn ich mich überrascht gezeigt hätte, wäre er
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