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Chasm City

Chasm City

Titel: Chasm City Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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von Metern unter uns, über uns kam das Kabel durch eine Irisöffnung aus der Decke und führte hinab bis zu dem Punkt, an dem es schließlich verankert war. Dort unten lauerten Wartungsmaschinen auf reparaturoder renovierungsbedürftige Gondeln, und von dort unten kam auch der Gesang; er war nur dank der ungewöhnlichen Akustik bis hier herauf zu hören.
    Die Brücke bestand aus einem einzigen dünnen Hyperdiamantseil, das vom Boden bis zum Synchronorbit reichte. Es war fast über die gesamte Länge nicht mehr als fünf Meter dick (und größtenteils hohl). Nur der allerletzte Kilometer innerhalb des eigentlichen Terminals hatte einen Durchmesser von dreißig Metern und verjüngte sich nach oben hin kaum merklich. Die Gründe dafür waren ausschließlich psychologischer Natur: zu viele Passagiere hatten sich gegen die Fahrt in den Orbit gesträubt, sobald sie sahen, wie dünn der Faden, an dem sie hochgezogen werden sollten, tatsächlich war. Deshalb hatten die Besitzer den sichtbaren Teil des Kabels im Inneren des Terminals viel stärker gemacht als eigentlich nötig.
    Die Gondeln glitten im Abstand von wenigen Minuten zu beiden Seiten des Kabels nach oben beziehungsweise nach unten. Die blanken, mit Magnetkraft gehaltenen Zylinder waren so weit nach innen gewölbt, dass sie das Kabel fast zur Hälfte umschlossen. Jeder hatte mehrere Stockwerke, auf denen voneinander getrennt Speise-, Erholungs- und Schlafräume untergebracht waren. Die meisten Gondeln waren leer, und in den Fahrgasträumen brannte kein Licht. Nur jede fünfte oder sechste beförderte eine Handvoll Fahrgäste. Die leeren Gondeln waren symptomatisch für die wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Brücke, obwohl sie an sich kein größeres Problem darstellten. Im Verhältnis zum Gesamtaufwand waren die Kosten für Leerfahrten minimal, und der Fahrplan der besetzten Gondeln wurde nicht beeinträchtigt. Von ferne sahen sie alle gleich voll aus und förderten damit die Illusion, die Brücke sei ausgelastet und arbeite mit Gewinn. Doch seit die Kirche die Anlage gepachtet hatte, rechneten die Eigentümer nicht mehr damit, dass diese Hoffnung sich eines Tages erfüllen könnte. Jetzt in der Monsunzeit mochte auch der Eindruck entstehen, der Krieg läge in den letzten Zügen, dabei war die Planung für die nächsten Feldzüge längst abgeschlossen, und die Strategen spielten ihre Grenzübergriffe und Großoffensiven bereits am Computer durch.
    Ein frei schwebender Glassteg führte in schwindelnder Höhe von der Galerie auf das Kabel zu und endete so weit davor, dass gerade noch Platz für eine ankommende Gondel blieb. Etliche Fahrgäste, darunter eine Gruppe gut gekleideter Aristokraten, standen bereits mit ihrem Gepäck auf dem Steg und warteten. Aber ich sah weder Reivich noch jemanden, der Ähnlichkeit mit einem von Reivichs Partnern gehabt hätte. Die Leute unterhielten sich oder sahen sich auf quadratischen Bildschirmen, die wie schmale tropische Fische durch den Raum glitten, Marktberichte und Interviews mit Prominenten an.
    Vor dem Steg befand sich ein Schalter, an dem Fahrkarten verkauft wurden; hinter der Theke saß eine Frau, die sich sichtlich langweilte.
    »Du wartest hier«, sagte ich zu Dieterling.
    Als ich an den Schalter trat, blickte die Frau auf. Ihre Uniform war zerknittert, und unter den blutunterlaufenen, verschwollenen Augen hatte sie dunkelviolette Schatten.
    »Ja?«
    »Ich bin ein Freund von Argent Reivich und muss ihn dringend sprechen.«
    »Das ist leider nicht möglich.«
    Ich hatte nichts anderes erwartet. »Wann ist er abgefahren?«
    Eine näselnde Stimme, verschliffene Konsonanten. »Diese Frage darf ich Ihnen leider nicht beantworten.«
    »Nun machen Sie mal halblang, ja?« Ich schwächte die Bemerkung mit einem Lächeln ab, das hoffentlich liebenswürdig genug ausfiel. »Verzeihung, ich wollte Ihnen nicht zu nahe treten, aber die Sache ist wirklich sehr dringend. Ich habe nämlich etwas für ihn – ein wertvolles Familienerbstück aus dem Reivich-Besitz. Kann ich irgendwie noch während der Fahrt Verbindung mit ihm aufnehmen, oder muss ich warten, bis er den Orbit erreicht?«
    Die Frau zögerte. Sie konnte mir in diesem Stadium fast keine Informationen geben, ohne gegen ihre Vorschriften zu verstoßen – aber ich wirkte wohl grundehrlich und schien über die Vergesslichkeit meines Freundes aufrichtig bestürzt zu sein. Und ich sah eindeutig wie ein reicher Mann aus.
    Sie warf einen Blick auf einen Bildschirm. »Sie können

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