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Chasm City

Chasm City

Titel: Chasm City Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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ihm eine Nachricht schicken, dann kann er Sie anrufen, sobald er die Orbitalstation erreicht hat.« Er war also noch nicht eingetroffen, sondern hing irgendwo über mir am Kabel.
    »Es ist wohl am besten, ich fahre ihm sofort hinterher«, sagte ich. »Dann braucht er nicht lange im Orbit zu warten. Ich händige ihm den betreffenden Gegenstand aus und komme mit der nächsten Gondel zurück.«
    »Das klingt vernünftig.« Sie sah mich an. Vielleicht spürte sie, dass irgendetwas nicht so war, wie es sein sollte, aber sie vertraute ihrem Instinkt nicht so weit, dass sie versucht hätte, sich mir in den Weg zu stellen. »Aber Sie müssen sich beeilen. Die nächste Gondel fährt gleich ab.«
    Ich wandte mich dem kabelseitigen Ende des Steges zu und sah eine leere Gondel aus dem Wartungsbereich nach oben gleiten.
    »Dann sollten Sie mir rasch eine Fahrkarte ausstellen.«
    »Eine Rückfahrkarte, nehme ich an.« Die Frau rieb sich die Augen. »Das macht fünfhundertfünfzig Austral.«
    Ich öffnete meine Brieftasche und zog die knisternden Südland-Scheine heraus. »Ein Skandal«, sagte ich. »Wenn man bedenkt, was die Brückenverwaltung tatsächlich an Energie aufwenden muss, um mich in den Orbit zu bringen, dürfte die Fahrt höchstens ein Zehntel kosten. Aber wahrscheinlich schöpft die Kirche Sky’s einen Teil ab.«
    »Ich will Ihnen nicht widersprechen, aber Sie sollten sich nicht abfällig über die Kirche äußern. Jedenfalls nicht hier.«
    »Ja, das ist mir bekannt. Aber Sie gehören nicht dazu, oder?«
    »Nein«, sagte sie und gab mir das Wechselgeld in kleineren Scheinen heraus. »Ich arbeite hier nur.«
    Die Haussmann-Kultisten hatten die Brücke vor etwa zehn Jahren übernommen, nachdem sie sich mit Erfolg eingeredet hatten, dass Sky genau an dieser Stelle gekreuzigt worden sei. Haussmanns Jünger hatten eines Abends das Gebäude gestürmt, bevor irgendjemand wusste, was eigentlich gespielt wurde. Sie behaupteten, überall im Terminal Kanister mit ihrem Virus versteckt zu haben, die angeblich mit Sprengladungen versehen waren, und drohten, sie beim ersten Versuch einer Zwangsräumung zu zünden. Wäre tatsächlich so viel von dem Virus in der Brücke gewesen, wie die Kultisten behaupteten, dann hätte es der Wind über die Hälfte der Halbinsel verteilt. Vielleicht war auch alles nur ein Bluff, aber niemand wollte das Risiko einer Zwangsbekehrung für Millionen von Unbeteiligten auf sich nehmen. Also blieben die Kultisten im Besitz der Brücke. Der Brückenverwaltung wurde gestattet, den Betrieb fortzusetzen, auch wenn das bedeutete, dass die Belegschaft ständig geimpft werden musste, um nicht mit Virusresten infiziert zu werden. Angesichts der Nebenwirkungen der Anti-Virus-Therapie war die Brücke nicht gerade der beliebteste Arbeitsplatz auf der Halbinsel – und die ständigen Chorgesänge der Kultisten kamen noch erschwerend hinzu.
    Sie reichte mir das Ticket.
    »Hoffentlich schaffe ich es noch rechtzeitig in den Orbit.«
    »Die letzte Gondel ist erst vor einer Stunde abgefahren. Falls Ihr Freund die genommen hat…« Ihr Zögern verriet, dass das ›falls‹ ohne Bedeutung war. »Dann haben Sie gute Chancen, ihn bei Ihrer Ankunft noch in der Orbitalstation anzutreffen.«
    »Ich hoffe nur, er weiß die ganze Aktion auch gebührend zu schätzen.« Sie hätte fast gelächelt, gab aber auf halbem Wege auf. Es war wohl doch zu anstrengend.
    »Er ist sicher ganz hingerissen.«
    Ich steckte das Ticket in die Tasche und bedankte mich – die Frau sah so elend aus, sie tat mir unwillkürlich Leid, weil sie hier arbeiten musste – und ging zu Dieterling zurück. Er stützte sich auf die niedrige Glaswand, die den Verbindungssteg seitlich abschloss, und schaute auf die Kultisten hinab. Sein Blick war ruhig, voller Gleichmut, aber doch wachsam. Ich musste an unseren Ausflug in den Dschungel denken, an den Hamadryaden-Angriff, bei dem er mir das Leben gerettet hatte. Auch damals hatte er diese unbeteiligte Miene aufgesetzt: ein Mann in einer Schachpartie gegen einen hoffnungslos unterlegenen Gegner.
    »Und?«, fragte er flüsternd, als ich in Hörweite war.
    »Er hat schon eine Gondel genommen.«
    »Wann?«
    »Vor etwa einer Stunde. Ich habe mir eben eine Fahrkarte gekauft. Geh du jetzt an den Schalter, aber lass niemanden merken, dass wir zusammen reisen.«
    »Vielleicht sollte ich lieber nicht mitkommen, Bruder.«
    »Es wird schon nichts passieren.« Ich sprach noch leiser. »Zwischen hier und dem Ausgang in der

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