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Chasm City

Chasm City

Titel: Chasm City Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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gegeben, und da er keine Möglichkeit hatte, in den Orbit zu gelangen – er wäre beim Verlassen der Atmosphäre sofort verhaftet und hingerichtet worden –, musste er sich mit der besten Schwarzmarktmedizin zufrieden geben, die für Geld zu haben war. Für die Heilung meines Beins hatte sie ausgereicht, aber gerade solche Verletzungen waren durch den Krieg inzwischen alltäglich geworden. Komplexe Schäden an inneren Organen stellten ungleich höhere Anforderungen an die ärztliche Kunst, und die dafür erforderlichen Mittel waren auf dem Schwarzmarkt nicht zu finden.
    Deshalb war er gestorben.
    Und deshalb war ich nun hinter dem Mann her, der Cahuella und seine Frau getötet hatte, um ihn möglichst mit einem einzigen Diamantnadelgeschoss aus meiner aufziehbaren Pistole zu erledigen.
    In meiner Soldatenzeit, bevor Cahuella mich als Sicherheitsexperten anstellte, war ich ein erfahrener Heckenschütze gewesen. Man sagte mir nach, ich könnte mit einem Kopfschuss eine bestimmte Hirnregion ausschalten. Aber das stimmte nicht; es war heillos übertrieben. Ein guter Schütze war ich allerdings immer gewesen, und ich legte Wert auf saubere Arbeit. Ich tötete schnell und mit chirurgischer Präzision.
    Und ich hoffte aufrichtig, das Reivich mich nicht enttäuschen würde.
 
    Überrascht stellte ich fest, dass der geheime Gang direkt ins Herz des Terminals führte und in einem im Schatten gelegenen Teil der Haupthalle mündete. Ich sah mich nach der Sicherheitsschranke um, die wir umgangen hatten. Dort wurden die Passagiere nach versteckten Waffen durchsucht und ihre Ausweise kontrolliert, für den Fall, dass etwa ein Kriegsverbrecher versuchte, den Planeten zu verlassen. Die aufziehbare Pistole, die immer noch unsichtbar in meiner Tasche steckte, wäre bei den Scans nicht aufgefallen, unter anderem deshalb hatte ich mich für sie entschieden. Jetzt war ich fast verärgert, weil meine sorgfältige Planung teilweise umsonst gewesen war.
    »Meine Herren«, sagte Vasquez und blieb auf der Schwelle stehen, »für mich heißt es ›bis hierher und nicht weiter‹.«
    »Und ich dachte, du fühlst dich hier wie zu Hause«, sagte Dieterling und sah sich um. »Was ist los? Hast du vielleicht Angst, dich nicht mehr losreißen zu können?«
    »So in etwa, Schlange.« Vasquez klopfte uns beiden auf den Rücken. »Na schön, Jungs. Dann geht und holt euch diesen postmortalen Haufen Scheiße. Aber erzählt niemandem, dass ich euch hier reingebracht habe.«
    »Keine Sorge«, beruhigte Dieterling. »Wir werden deine Rolle in dem Stück nicht überbetonen.«
    »Akzeptabel. Und denk daran, Schlange…« Wieder zielte er mit einer nicht vorhandenen Waffe. »Der Jagdausflug, von dem wir gesprochen haben…«
    »Du kannst dich als angemeldet betrachten, jedenfalls provisorisch.«
    Er verschwand wieder im Tunnel. Dieterling und ich blieben im Terminal zurück und sahen uns schweigend um. Die fremdartige Umgebung hatte uns die Sprache verschlagen.
    Wir standen in der unteren Halle, die sich wie ein Ring um den Ein- und Ausstiegsbereich am Fuß des Kabels legte. Die Decke war viele Stockwerke über uns, dazwischen spannte sich ein Netz von offenen Laufstegen und Transitröhren. An der Außenwand hatten sich einst Luxusgeschäfte, Boutiquen und Restaurants befunden. Die meisten waren jetzt geschlossen oder zu kleinen Gedenkstätten und Devotionalienläden umfunktioniert worden. Es herrschte wenig Betrieb, kaum jemand kam aus dem Orbit zurück, und nur eine Handvoll Leute gingen auf die Gondeln zu. In der Halle war es dunkler, als die Planer es wohl vorgesehen hatten, die Decke war kaum zu erkennen. Ich kam mir vor wie in einer Kathedrale, in der, nicht sichtbar, aber deutlich zu spüren, ein feierlicher Gottesdienst abgehalten wurde. Hastige Bewegungen oder lautes Sprechen schienen hier fehl am Platz. Fast unterschwellig hörte ich ein ständiges leises Summen wie in einem Keller voller Generatoren. Oder, dachte ich, wie in einem Raum voll psalmodierender Mönche, die alle mit Grabesstimme den gleichen Ton hielten.
    »War das schon immer so?«, fragte ich.
    »Nein. Ich meine, ein Dreckloch ist es immer gewesen, aber seit meinem letzten Besuch ist es eindeutig noch schlimmer geworden. Noch vor einem Monat muss hier die Hölle los gewesen sein. Die meisten Leute, die auf das Schiff wollten, mussten hier durch.«
    Die Ankunft eines Raumschiffs im Orbit um Sky’s Edge war immer ein Ereignis. Wir waren im Vergleich zu vielen anderen besiedelten

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