Chasm City
im Orbit um Yellowstone hatte Gitta mich wohl keine Minute ganz verlassen. Jede andere Frau, der ich ins Gesicht sah, verglich ich mit ihr – auch wenn ich mir dessen kaum bewusst war. Ich war mir im Grunde meines Herzens ganz sicher, dass sie tot war, und obwohl ich mich nicht von aller Verantwortung dafür freisprechen konnte, war ich ebenso überzeugt, dass Reivich sie getötet hatte.
Und doch hatte ich mich kaum mit den Ereignissen vor diesem Tod befasst und so gut wie gar nicht mit ihrem Tod selbst.
Das brach jetzt alles über mich herein.
Natürlich lief der Traum nicht so ab. Die Episoden aus Sky Haussmanns Leben mochten sich fast linear aneinander gereiht haben – auch wenn einiges darin im Widerspruch zu dem stand, was ich über ihn zu wissen glaubte –, doch meine eigenen Träume waren so desorganisiert und unlogisch wie bei allen Menschen. Wenn ich also im Schlaf durch die Halbinsel reiste und den Überfall erlebte, der mit Gittas Tod geendet hatte, dann geschah das nicht mit der Klarheit der Haussmann-Episoden. Doch als ich hinterher erwachte, war durch die Traumarbeit ein ganzer Komplex von Erinnerungen aufgeschlossen worden, die ich bis dahin kaum vermisst hatte. So konnte ich das Geschehen am nächsten Morgen in allen Einzelheiten durchdenken.
Das Letzte, woran ich mich plastisch erinnerte, war mein Besuch mit Cahuella auf dem Ultra-Schiff. Captain Orcagna hatte uns davor gewarnt, dass Reivich einen Angriff auf das Reptilienhaus plane. Reivich ziehe, so der Captain, durch den Dschungel nach Süden. Man verfolge seinen Weg über die Emissionen der schweren Waffen, die seine Begleiter mitführten.
Es war ein Glück, dass Cahuella seine Geschäfte mit den Ultras so schnell abgeschlossen hatte. Schon zu diesem Zeitpunkt hatte er sich mit dem Besuch auf dem Schiff in erhebliche Gefahr begeben, doch nur eine Woche später wäre dieser Besuch kaum noch möglich gewesen. Man hatte die Belohnung für seine Ergreifung so drastisch erhöht, dass etliche von den neutralen Beobachter-Parteien angekündigt hatten, sie würden jedes Schiff abfangen, wenn sie wüssten, dass Cahuella sich darauf befände, und wenn es sich nicht aufhalten ließe, würden sie es auch vom Himmel schießen. Wäre der Einsatz weniger hoch gewesen, dann hätten die Ultras solche Drohungen vielleicht ignoriert, aber inzwischen hatten sie ihre Ankunft offiziell bekannt gegeben und standen nun ausgerechnet mit diesen Parteien in schwierigen Geschäftsverhandlungen. Cahuella war also praktisch auf dem Planeten gefangen – und der Bereich, in dem er sich frei bewegen konnte, wurde immer kleiner.
Aber Orcagna hatte Wort gehalten. Er informierte uns auch weiterhin so ungefähr, wie Cahuella es verlangt hatte, über Reivichs jeweilige Position auf dessen Zug nach Süden zum Reptilienhaus.
Wir hatten einen recht einfachen Plan. Nördlich des Reptilienhauses gab es nur wenige Wege durch den Dschungel, und Reivich hatte sich bereits für eine der größeren Pisten entschieden. Diese Piste war an einer Stelle weitgehend zugewachsen, und dort wollten wir einen Hinterhalt legen.
»Wir verbinden es mit einem Jagdausflug«, hatte Cahuella gesagt, als wir uns über den Kartentisch im Keller des Reptilienhauses beugten. »Das ist erstklassiges Hamadryaden-Gebiet, Tanner. Wir waren dort noch nie – es hatte sich nie ergeben. Jetzt serviert uns Reivich die Gelegenheit auf dem Silbertablett.«
»Sie haben doch schon eine Hamadryade.«
»Aber nur ein Jungtier.« Es klang verächtlich, als hätte das Tier die Mühe kaum gelohnt. Ich musste lächeln, wenn ich daran dachte, wie er triumphiert hatte, als er sie damals nach Hause brachte. Eine Hamadryade gleich welcher Größe lebend zu fangen, war eine beachtliche Leistung, doch jetzt hatte er sich höhere Ziele gesteckt. Cahuella war der geborene Jäger, er war nie zufrieden. Immer gab es eine größere Beute, die ihn lockte, immer lebte er in dem Wahn, dass danach noch eine weitere käme, die alle seine Vorstellungen überstieg.
Er deutete wieder auf die Karte. »Ich will eine Erwachsene. Oder vielmehr eine Präadulte.«
»Niemand hat jemals eine präadulte Hamadryade lebend gefangen.«
»Einer ist immer der Erste.«
»Lassen Sie die Finger davon«, warnte ich. »Mit der Jagd auf Reivich haben wir genug zu tun. Wir können auf dieser Fahrt das Terrain erkunden und in ein paar Monaten einen richtigen Jagdausflug unternehmen. Wir haben nicht einmal ein Fahrzeug, mit dem wir eine tote Präadulte
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