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Chasm City

Chasm City

Titel: Chasm City Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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Leichen, entlang der Säule aufgereiht wie verfaulte Früchte.
    Eine raue Stimme sagte: »Diplomatenflug TG5, bitte übergeben Sie das Kommando an das Leitsystem der Palästina.«
    Sky tat, was man von ihm verlangte; er spürte einen Ruck, als das größere Schiff die Steuerung des Shuttles übernahm und es ohne Rücksicht auf die Bequemlichkeit der menschlichen Fahrgäste auf einen geeigneten Anflugkurs lenkte. Ein ins Cockpitfenster projizierter Korridor schwebte, von orangefarbenen Neongittern begrenzt, im All. Dahinter begann sich der Sternenhimmel zu drehen; sie bewegten sich jetzt im gleichen Drehsinn wie die Palästina und glitten auf eine offene Parkbucht zu. Dort schwebten Gestalten in Raumanzügen mit fremden Rangabzeichen und brachten, nicht gerade ein Zeichen diplomatischer Höflichkeit, zum Empfang ihre Waffen in Anschlag.
    Als das Taxi seinen Liegeplatz gefunden hatte, wandte Sky sich an Balcazar. »Captain? Wir sind fast da.«
    »Was? Wie? Verdammt, Titus… ich bin wohl eingeschlafen!«
    Sky fragte sich, wie wohl sein Vater zu dem Alten gestanden haben mochte. Ob Titus jemals mit dem Gedanken gespielt hatte, den Captain zu töten?
    Die Schwierigkeiten, dachte er, wären nicht unüberwindlich.

Neunzehn
    »Tanner? Wachen Sie auf. Sie dürfen mir hier nicht ohnmächtig werden.«
    Wir näherten uns jetzt einem Gebäude – wenn man davon sprechen konnte. Es sah eher aus wie ein verzauberter Baum, die dicken, knorrigen Äste waren planlos mit Fenstern bestückt, und dazwischen befanden sich Landeplattformen für die Seilbahngondeln. Zwischen den Hauptästen waren Kabelstränge gezogen, und Zebra steuerte so furchtlos hinein, als hätte sie das schon tausend Mal gemacht. Wenn ich durch das vielfach verschlungene Astwerk schaute, sah ich in schwindelerregender Tiefe die Feuer des Mulch funkeln.
    Zebras Wohnung im Baldachin befand sich fast im Stadtzentrum, am Rand des Abgrunds, unweit der Innenseite der Kuppel, die das große qualmende Loch in Yellowstones Kruste umgab. Wir waren ein Stück weit am Abgrund entlang geflogen, nun sah ich vom Landedeck aus tief unter uns auf der anderen Seite den dünnen, blitzenden Stängel einen Kilometer weit aus der Wand ragen. Im Abgrund selbst waren weder die leuchtend bunten Gleitschirme, noch weitere Nebelspringer zu sehen, die im Begriff standen, den großen Sturz zu wagen.
    »Wohnen Sie allein hier?«, fragte ich so harmlos wie möglich, als sie mich in ihre Räume führte.
    »Jetzt schon, ja.« Die Antwort kam rasch, fast zu prompt. Aber sie sprach gleich weiter. »Früher lebte ich mit meiner Schwester Mavra zusammen.«
    »Und Mavra ist ausgezogen?«
    »Mavra wurde getötet.« Sie ließ den Satz stehen, bis er seine Wirkung getan hatte. »Sie kam den falschen Leuten in die Quere.«
    »Das tut mir Leid«, sagte ich, nur um irgendetwas zu sagen. »Waren es Jäger wie Sybilline?«
    »Eigentlich nicht, nein. Sie interessierte sich für Dinge, von denen sie besser die Finger gelassen hätte, und sie stellte den falschen Leuten die falschen Fragen, aber es hatte nicht direkt mit der Jagd zu tun.«
    »Womit dann?«
    »Warum wollen Sie das denn unbedingt wissen?«
    »Ich bin wahrhaftig kein Engel, Zebra, aber ich mag es nicht, wenn jemand sterben muss, nur weil er zu neugierig war.«
    »Dann sollten Sie vorsichtig sein und nicht selbst die falschen Fragen stellen.«
    »Zu welchem Thema?«
    Sie seufzte. Es war ihr sichtlich unangenehm, dass das Gespräch diese Wendung genommen hatte. »Es gibt eine gewisse Substanz…«
    »Traumfeuer?«
    »Sie haben es also schon kennen gelernt?«
    »Ich weiß, wie es verabreicht wird, aber mehr auch nicht. Sybilline hat es sich in meiner Gegenwart gespritzt, aber mir ist nicht aufgefallen, dass sie sich hinterher anders verhalten hätte. Was ist es genau?«
    »Das ist ziemlich kompliziert, Tanner. Mavra hatte erst einige Teile der Geschichte zusammengetragen, bevor man sie erledigte.«
    »Es ist offensichtlich eine Droge.«
    »Es ist sehr viel mehr als das. Aber können wir nicht von etwas anderem sprechen? Es fällt mir nicht leicht, mich damit abzufinden, dass sie nicht mehr da ist, und Sie reißen nur alte Wunden auf.«
    Ich nickte, bereit, die Sache vorerst auf sich beruhen zu lassen. »Sie standen sich nahe?«
    »Ja«, sagte sie, als hätte ich ein tiefes Geheimnis entdeckt. »Und Mavra gefiel es hier. Sie fand, vom Stängel einmal abgesehen, gäbe es in der ganzen Stadt keine bessere Aussicht. Und zu ihren Lebzeiten hätten wir uns

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