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Chasm City

Chasm City

Titel: Chasm City Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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nicht lange dauern, bis die ersten Fragen nach einem geeigneten Nachfolger laut werden.«
    »Sie haben noch viele Jahre vor sich.«
    »Oh, mag sein, dass ich Journey’s End noch sehen darf, aber bis dahin bin ich gewiss nicht mehr in der Lage, in den schwierigen Anfangsjahren die Besiedlung zu leiten. Selbst Sie werden dann nicht mehr jung sein, Haussmann… aber doch noch sehr viel jünger als so mancher von uns. Wichtiger noch, Sie haben nicht nur eine Vision, sondern auch die Nervenstärke, daran festzuhalten…« Ramirez sah Sky merkwürdig an. »Aber etwas belastet Sie doch?«
    Sky sah die Hingerichteten mit der Finsternis verschmelzen wie zwei winzige Sahnetröpfchen, die man in den schwärzesten Kaffee geschüttet hatte. Das Schiff stand natürlich nicht unter Schub – es flog antriebslos dahin, so lange Sky denken konnte – und deshalb würde es eine Ewigkeit dauern, bis die Männer verschwunden waren.
    »Nein, ich war nur in Gedanken. Nachdem die beiden Männer ins All gestoßen wurden, brauchen wir sie nicht mehr mitzutragen und können etwas stärker abbremsen, wenn der Zeitpunkt für die Triebwerkszündung kommt. Das heißt, wir können unsere derzeitige Reisegeschwindigkeit etwas länger beibehalten. Und damit erreichen wir früher unser Ziel. Auf diese Weise haben die Männer eine kleine und natürlich völlig ungenügende Wiedergutmachung für ihre Verbrechen geleistet.«
    »Sie kommen wirklich auf die merkwürdigsten Ideen, Haussmann.« Ramirez tippte ihm mit dem Finger an die Nasenspitze und ging ganz nahe an ihn heran. Jetzt flüsterte er, obwohl auch bisher keine Gefahr bestanden hatte, dass andere Offiziere das Gespräch belauschten. »Ein guter Rat. Es war kein Scherz, als ich sagte, Ihr Name sei im Gespräch – aber Sie sind nicht der einzige Kandidat, und ein falsches Wort von Ihnen könnte sich verheerend auf Ihre Chancen auswirken. Habe ich mich klar genug ausgedrückt?«
    »Kristallklar.«
    »Gut. Nehmen Sie sich in Acht und bewahren Sie einen kühlen Kopf, dann brauchen Sie nur noch etwas Glück, und Sie sind drin.«
    Sky nickte. Ramirez erwartete vermutlich, dass er ihm aus Dankbarkeit für diese vertrauliche Information die Füße küsste, doch Sky empfand nur tiefe Verachtung – die er allerdings nach Kräften zu verbergen suchte. Als ob die Wünsche von Ramirez und seinen Kumpanen in irgendeiner Weise von Bedeutung wären! Als ob diese armen, blinden Narren irgendeinen Einfluss darauf hätten, ob er Captain wurde!
    »Er ist ein Niemand«, flüsterte Sky. »Aber ich muss ihm das Gefühl geben, er wäre nützlich.«
    »Natürlich«, sagt Clown, denn Clown war immer in der Nähe. »Genau das würde ich auch tun.«

Fünfundzwanzig
    Nachdem die Episode vorbei war, irrte ich so lange durch die Bahnhofshalle, bis ich ein Zelt fand, wo ich gegen Gebühr für ein paar Minuten ein Telefon benützen konnte. Seit die ursprünglich so eleganten und schnellen Datennetze der Stadt nicht mehr funktionierten, war alle Welt wieder auf das Telefon angewiesen. Für eine Gesellschaft, deren Maschinen einst die Kunst der Kommunikation zu einer mühelosen Form der Beinahe-Telepathie erhoben hatten, war das ein Abstieg, aber zum Ausgleich waren die Telefone ihrerseits zu kleinen Statussymbolen geworden. Die Armen hatten keine, und für die Reichen konnten sie nicht groß und auffallend genug sein. Das Telefon, das ich mietete, sah aus wie ein primitives Schlachtross von einem Walkie-Talkie: ein klobiges, schwarzes Handgerät mit zweidimensionalem Bildschirm und einer Reihe abgegriffener Tasten mit canasischen Schriftzeichen.
    Ich fragte den Vermieter, was ich tun musste, um eine Nummer im Orbit und einen Teilnehmer im Baldachin zu erreichen. Er gab mir zwei so langatmige und komplizierte Erklärungen, dass ich Mühe hatte, die Einzelheiten im Kopf zu behalten. Der Anruf im Orbit war einfacher, weil ich die Nummer hatte – sie stand auf der Geschäftskarte der Eisbettler, die Schwester Amelia mir gegeben hatte –, aber ich musste mich durch vier oder fünf instabile Netze vermitteln lassen, bevor ich durchkam.
    Die Methoden der Eisbettler waren nicht uninteressant. Sie hielten Verbindung zu vielen ihrer Klienten, auch wenn die das Hospiz Idlewild längst verlassen hatten. Brachten es die Klienten im System zu Macht und Einfluss, dann pflegten sie sich bei den Eisbettlern – mit Spenden, die dem Orden halfen, sein Habitat zu finanzieren – erkenntlich zu zeigen. Aber das war nicht alles. Die Eisbettler

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