Chasm City
können?«
Die Männer hatten die seitlich geknöpfte Uniformjacke geöffnet, und der zweite Betreuer untersuchte nun das Überwachungsgerät, das Balcazar darunter um die Brust trug. Valdivia rüttelte misstrauisch an dem Aggregat. »Es hätte Alarm auslösen müssen. Aber Sie haben nichts gehört?«
»Keinen Mucks, wie gesagt.«
»Die verdammte Kiste muss wieder ausgefallen sein. Hören Sie, Sky«, sagte Valdivia. »Wenn das bekannt wird, sind wir für alle Zeiten erledigt. Das verdammte Aggregat ist ständig ausgefallen, aber Rengo und ich standen in letzter Zeit so sehr unter Druck…« Er schnaubte und schüttelte den Kopf, als könnte er seine Arbeitszeiten selbst nicht fassen. »Das heißt nicht, dass wir es nicht repariert hätten, aber wir konnten uns nicht die ganze Zeit nur um Balcazar kümmern und alle anderen vernachlässigen. Wie ich höre, haben sie auf der Brasilia bessere Geräte als diesen klapprigen Schrott, aber was nützt uns das?«
»Nicht viel«, sagte Sky und nickte heftig. »Wenn Sie dem alten Mann zu viel Aufmerksamkeit gewidmet hätten, wären andere Menschen gestorben. Ich verstehe vollkommen.«
»Das wollen wir hoffen, Sky – denn wenn sich herumspricht, dass Balcazar tot ist, bricht die Hölle los.« Wieder sah Valdivia den Captain an, aber wenn er auf eine wundersame Genesung hoffte, so wurde er enttäuscht. »Man wird die Qualität unserer medizinischen Versorgung infrage stellen. Sie wird man in die Mangel nehmen, weil Sie für den Flug zur Palästina verantwortlich waren. Ramirez und die anderen Dreckskerle vom Rat werden uns vorhalten, wir hätten Mist gebaut. Ihnen werden Sie Fahrlässigkeit unterstellen. Glauben Sie mir; ich habe das alles schon erlebt.«
»Wir wissen doch alle, dass es nicht unsere Schuld war«, sagte Sky. Er schaute auf den Captain nieder. Auf seiner Epaulette glänzte immer noch die Schneckenspur aus getrocknetem Speichel. »Er war ein guter Mann. Er hat uns treu gedient, obwohl er längst Ruhe nötig gehabt hätte. Aber er war eben alt.«
»Ja, und im Lauf des nächsten Jahres wäre er auf jeden Fall gestorben, auch ohne dass etwas Besonderes passiert wäre. Aber erklären Sie das mal der Besatzung.«
»Dann müssen wir uns eben in Acht nehmen.«
»Sky… Sie sagen kein Wort, nicht wahr? Sie verraten nicht, was wir Ihnen anvertraut haben?« Von außen wurde gegen die Luftschleuse gehämmert. Jemand begehrte Einlass. Sky achtete nicht darauf. »Was soll ich denn genau sagen?«
Der Betreuer holte tief Luft. »Sie müssen sagen, das System hätte Alarm gegeben. Dass Sie nicht darauf reagiert haben, macht nichts. Sie konnten es nicht – Sie hatten weder die Mittel noch das nötige Fachwissen, und Sie waren zu weit vom Schiff entfernt.«
Sky nickte, als wäre das ein durchaus vernünftiger Vorschlag, genau das, was er auch selbst empfohlen hätte. »Ich darf also nur nicht durchblicken lassen, das Überwachungssystem hätte von vornherein nicht funktioniert?«
Die beiden Betreuer sahen sich an. »Ja«, sagte der erste. »Genau das. Ihnen wird niemand einen Vorwurf machen. Jeder wird einsehen, dass Sie alles getan haben, was in Ihren Kräften stand.«
Erst jetzt fiel Sky auf, wie friedlich der Captain aussah. Seine Augen waren geschlossen – einer der Betreuer hatte sie ihm zugedrückt, um ihm im Tod einen Anschein von Würde zu geben. Wie Clown gesagt hatte, konnte man sich durchaus vorstellen, dass er von seiner Kindheit träumte. Auch wenn er auf dem Schiff eine ebenso sterile, beengte Kindheit verbracht hatte wie Sky.
Das Klopfen hörte nicht auf. »Ich lasse den Quälgeist wohl besser herein«, sagte Sky.
»Sky…«, flehte der eine Betreuer.
Sky legte ihm die Hand auf den Arm. »Machen Sie sich keine Sorgen.«
Er holte tief Atem und drückte auf den Türöffner. Draußen standen mindestens zwanzig Leute, und alle drängten gleichzeitig herein. Alle wollten einen Blick auf den toten Captain werfen und ihre Trauer zum Ausdruck bringen, während sie insgeheim hofften, es sei nicht wieder falscher Alarm. Balcazar hatte nun schon seit einigen Jahren die unschöne Angewohnheit, dem Tod immer wieder von der Schippe zu springen.
»Du lieber Gott«, sagte eine Frau aus der Abteilung Antriebskonzepte. »Diesmal ist es also wahr… was in aller Welt ist denn geschehen?«
Einer der Betreuer wollte antworten, aber Sky kam ihm zuvor. »Sein Überwachungssystem ist ausgefallen«, sagte er.
»Wie bitte?«
»Sie haben richtig gehört. Ich hatte ihn die
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