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Chemie der Tränen

Chemie der Tränen

Titel: Chemie der Tränen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Carey
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auf den blauen Würfel werfen, wenn ich meine metaphysischen Überlegungen für mich behalte?«
    »Halten Sie das wirklich für nötig?«
    »Ich habe die ganze Nacht darüber nachgedacht. Wie ist er dahin gekommen? Was hat er zu bedeuten?«
    Es gab keine vernünftige Möglichkeit, sie davon abzuhalten, also schob ich ihr die LED -Lampe über den Tisch zu. Deutlicher konnte ich ihr nicht zu verstehen geben, wie wenig mich das Ganze interessierte.
    »Miss Gehrig?«
    »Ich arbeite.«
    »Miss Gehrig!«
    Mit einem Seufzen legte ich den Ring hin. »Ja, Amanda, was ist denn schon wieder?«
    »Jemand hat sich daran zu schaffen gemacht.«
    »Blödsinn. Zeigen Sie mal her.«
    »Sehen Sie selbst.«
    Ich nahm ihr die Lampe ab und schaute in die Höhle, obwohl ich bereits ahnte, dass sie bis auf ein wenig Bohrerstaub leer sein würde. Sie schaute mich an. Ich mochte den Blick nicht erwidern, fühlte mich in diesem kurzen Moment aber, als sei ich der Adressat einer ziemlich impertinenten Frage.
    Ich floh unter dem Vorwand, Eric Croft informieren zu wollen.

3
    Es würde keine metaphorische, spirituelle oder physikalische Diskussion über blaue Würfel geben. Es würde überhaupt nur wenig geredet werden. Mit Stift und Papier machte ich mich an die Arbeit und versuchte herauszufinden, wie die Teile des Fischmechanismus – die Bahnen, auf denen die Fische sich bewegten, die Lager, Hebel, Nocken und Laufrollen – erfolgreich zusammenarbeiteten.
    Ich brauchte fast zwei Tage, um zu begreifen, dass die Fischbewegungen direkt vom Schwanenhals dirigiert wurden. Diese Verbindung, auf die ich schon früher gekommen war, sie dann aber verworfen hatte, wurde durch eine Reihe kleiner Hebel hergestellt. Ich hatte vermutet, dass die Fische entweder im Uhrzeigersinn oder gegen den Uhrzeigersinn schwimmen würden, und mir den Kopf zermartert, was davon zutraf. Nur war der seltsame Herr Sumper an derart Simplem natürlich gar nicht interessiert gewesen, weshalb es sich bei sieben der Laufrollen auch um Doppelrollen handelte. Die Fische waren auf eine Weise konzipiert, dass sie in zwei Richtungen schwimmen konnten. Soll heißen, es gab zwei ›Teams‹: Vier Fische schwammen im Uhrzeigersinn, drei anders herum. Sie erweckten den Anschein, als würden sie, wie Amanda Snyde es formulierte, als ich ihr schließlich Gelegenheit zur Antwort gab, »einfach umherflitzen«. Der Mechanismus war schlicht genial. Die Fische verzogen sich blitzschnell, wenn der Automat den Hals drehte und den Kopf senkte (als wollte der Schwan sie fangen). Kaum hatte ich dies begriffen, sprang meine Assistentin vor Freude in die Luft, und ich wagte es aufs Neue, sie zu mögen.
    Dann kam unser üblicher Besucher, und meine Assistentin verzog sich mit dem Mikrometer in ihre Ecke. Croftys Haut schimmerte noch feucht, doch hatte er den richtigen Dreh mit dem Blenheim Bouquet Aftershave nie so ganz gefunden. ›Ein Spritzer kostet mich fünfundzwanzig Mäuse‹ – stets fand er ein spitzzahniges Vergnügen daran, mir das zu erzählen, nur wirkte er heute Morgen eigenartig gereizt. Ich hoffte, die schlechte Stimmung würde verfliegen, sobald er meine Zeichnung verstand.
    »Was ist das?«, fragte er und wies auf einen blauen Fleck auf meinem Unterarm.
    »Was für eine seltsame Frage«, erwiderte ich. »Welcher Mann fragt eine Frau denn nach ihren blauen Flecken?«
    »Alles in Ordnung mit Ihnen?«, hakte er nach und sprach mir, ganz zitronig, direkt ins Gesicht.
    Mir gefiel nicht, was ›alles in Ordnung‹ sonst noch bedeuten mochte.
    »Ich bin in der Dusche ausgerutscht. Genügt Ihnen das als Erklärung?«
    »Und wie?«
    »Ich … bin … in der Dusche … ausgerutscht … Eric.« Amanda schien auf ihren Frankenpod zu starren. Ihr hübscher, blasser Hals verharrte reglos.
    Ich hatte keine genaue Vorstellung davon, wie ich an den blauen Fleck gekommen war, wusste nur, ich war völlig dicht gewesen. Als ich am nächsten Morgen aufwachte, war der Duschvorhang abgerissen. Eine sehr verschwommene Erinnerung sagte mir, dass ich hingefallen war; allem Anschein nach hatte ich eine Flasche Wodka getrunken und drei Aufziehuhren in den Kühlschrank gestellt.
    »Sie sollten sich eine dieser rutschfesten Gummimatten besorgen.«
    »Ganz genau«, sagte ich.
    Er hatte sich die Zeichnung immer noch nicht angesehen.
    »Wollen Sie sich gar nicht anschauen, was wir herausgefunden haben?«, fragte ich. »Das ist ziemlich großartig.«
    »Natürlich. Ich bin nur gerade auf dem Weg zum Zahnarzt und

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