Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Chemie der Tränen

Chemie der Tränen

Titel: Chemie der Tränen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Carey
Vom Netzwerk:
des Monarchen, sondern abertausend arschkriechende Ignoranten mischen sich ein, sagte Sumper, Menschen mit Rechten und Ansichten, die Territorien zu verteidigen haben, und dann diese Astronomen, besonders die Astronomen, die sich rein gar nichts vorzustellen vermögen, da kein menschlicher Verstand errechnen kann, was eine solche Maschine kosten mag. Als Thigpen viele tausend Pfund ausgegeben hatte, entschieden die Bürokraten, einem Bären aufgesessen zu sein. Niemand, und Cruickshank schon gar nicht, konnte ihnen sagen, wann sie fertig werden würde.
    Und, sagte Sumper, kaum war ich in das REICH DES GOLDES vorgedrungen, kaum zu jener erhabenen Position gelangt, von der aus ich helfen konnte, den Lauf der Menschheitsgeschichte zu ändern, kaum also war ich am Soho Square eingezogen, da beschlossen die Idioten im Palast, dass sie nicht länger für die Rechnungen aufkommen wollten.
    Deutsche, schrie Sumper. Deutsche. Damit konnte ich mich einfach nicht abfinden. Idioten, Kretins, hochnäsige, eingebildete, im Grunde blöde Leute, die nur die eine oder andere Krone hätten einschmelzen müssen, um die Maschine bezahlen zu können.
    »Verstehen Sie, Henry? In diesem Falle benehmen Sie sich exakt wie Queen Victoria. Sie fürchten, hereingelegt zu werden, nicht? Genau wie sie.«
    Er lachte mir ins Gesicht, legte eine Hand auf meine Schulter und nahm sich im Folgenden überhaupt ein größeres Maß an Vertrautheit heraus, als ihm eigentlich zustand.
    »Ich war ein junger Mann«, sagte er, »aber kaum hatte man mich eingestellt, wurde deutlich, dass ich in meinem Glück zu einer der kränklichsten Kreaturen auf dieser Erde geworden war, zu einem Mönch. In Ihrer Lage werden Sie sich ohne weiteres das irre Bordell meiner Träume vorstellen können, die alles, nur nicht meine aktuelle Situation widerspiegelten, welche mich allnächtlich nötigte, ein Genie an meine Brust zu pressen. Wie ich mir wünschte, die Wut seiner rasenden Seele zu stillen, falls Sie mir letzteren Ausdruck in diesem Zusammenhang verzeihen wollen.«
    Nach derlei anzüglichem Freudenhausgerede hielt Henry Brandling, Christ und Gentleman, den Augenblick für gekommen, sich zu Bett zu begeben.

Catherine
    Was für eine Folter, durch einen Spiegel im dunkeln Wort zu sehen oder vielmehr nur zu ahnen, was vor so langer Zeit in Furtwangen oder in Low Hall geschehen war. Diese Art der Lektüre verlangte nicht, dass man unklare Worte befragte. Vielmehr lernte man bald, dass sich das anfänglich Wirre niemals klärte, wie sehr man es auch anstarrte oder verfluchte. Man lernte darüber hinaus, in einem Maße mit Unschärfe und Widersprüchlichkeit zu leben, wie man sie im eigenen Leben nie hinnehmen würde.
    Doch war ich eine Horologin. Ich musste wissen, wie die Dinge zusammenpassten. Und ich konnte mich nicht einfach damit abfinden, dass Cruickshank ein höheres Wesen sein sollte oder dass Tiere ein geistiges Leben führten. Dabei war es gar nicht uninteressant, beim Sinnieren über diese ›Mysterien‹ überraschende Ähnlichkeiten zwischen dem massigen, ungeschlachten Sumper und der hübschen blonden Amanda zu entdecken. Ihre Geisteshaltungen waren vergleichbar, etwa wie bei einem Akademikerpaar, das Beweise immer passend zur Theorie auslegte. Als Amanda und ich zum ersten Mal die Apparatur anstellten und ich die gespenstige, lebensechte Halsbewegung sah – so unbarmherzig, berechnend, sehnig, kalt, silbrig, phallisch –, war ich gegen diese Wirkung keineswegs gefeit. Deshalb freute es mich umso mehr, dass Amanda nie von Herrn Sumpers höheren Wesen gelesen hatte.
    Natürlich würde der Schwan ›dienen‹, wie Sumper behauptet hatte, nur nehme ich nicht an, dass er sich vorgestellt hatte, sein Werk würde dem Museum dienen, denn hier endete es seine Tage, gleich am Lowndes-Square-Eingang, und zog Goldmünzen wie mit magnetischer Kraft aus den Taschen der Besucher. Man braucht keinen Taschenrechner, um zu erkennen, dass die so erzielten Einkünfte dennoch niemals ausreichen würden, die Streichungen der Tories aufzuwiegen.
    Der Schwan wird kein Luzifer sein, auch kein heimliches Versteck für ein christliches Kreuz, eher eine jener Installationen, die man Kindern zeigt, zu denen alte Männer mit Spaltschuhen seltsame Beziehungen eingehen.
    Und es wird überraschend teure Postkarten geben sowie Poster, Videos und Kataloge mit einem wissenschaftlichen Artikel von Mr Croft, einem eher praktisch orientierten Essay von mir selbst und dazu – warum nicht? –

Weitere Kostenlose Bücher