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Chemie der Tränen

Chemie der Tränen

Titel: Chemie der Tränen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Carey
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bestrafen mich. Es tut mir leid. Bitte, bestrafen Sie mich nicht. Lassen Sie mich die Hefte zu Hause behalten.«
    »Wir waren wohl alle ein wenig zu ›begeistert‹. Höchste Zeit, unseren Laden wieder in Ordnung zu bringen.«
    »Ist das Ganze aus dem Ruder gelaufen?«
    »Ein wenig.«
    »Haben Sie mich wirklich mit Matthew zusammengebracht?«
    »Sie haben ihm das Leben gerettet.« Die Fensterscheiben spiegelten sich deutlich im salzigen Nimbus seiner Augen.
    »Er hat mein Leben gerettet.«
    »Sie haben ihn verändert. Sie waren sein Leben.«
    Ich konnte nicht mehr an mich halten und begann zu flennen. Dann war ich es, die ihre Arme ausbreitete. Als ich seinen harten Penis spürte, war ich schockiert, doch nur einen Moment lang. Armer, armer Mann, dachte ich, und dann saßen wir wieder auf unseren separaten Plätzen. Wir fanden etwas im Katalog von Christie’s und wurden zu vollkommenen ›Nobodys‹, alle Informationen aus unseren Augen gelöscht.

Catherine & Henry
    Mein lieber Matthew, ich habe an dich gedacht, als die Pizzaschachtel kam. Ich musste an deine superben Lammkoteletts denken, mariniert in Knoblauch, Chili, Ingwer, unter der großen, überdauernden Ulme auf dem
Hibachi
gebraten. Wildsalat, Radicchio, Treviso, Endivien, Erbsenblätter, Wasserkresse, ich küsse deine Zehen.
    Ich schlang den Pappfraß hinunter und las.
    Herr Sumper erklärte mir aufs Neue, schrieb Henry Brandling, dass Monsieur Arnaud als Silberschmied weit besser denn als Märchensammler war. Arnauds großes Missgeschick, fuhr Sumper spöttisch fort, sei es gewesen, dass er von einer Baroness Ludwig Soundso den Auftrag erhielt, einen vulgären Salzstreuer anzufertigen. Seither huscht er wie eine Maus durch den Wald und fürchtet, die Baroness könnte ihn zwingen, ein weiteres Mal vulgär zu werden.
    Natürlich, fuhr Sumper fort, wissen alle, wer Arnaud ist und wo er lebt. Die Baroness könnte ihn innerhalb einer Woche zu sich bringen lassen, doch warum sollte sie sich die Mühe machen?
    Sumper und ich tranken Essigwein, schrieb Henry.
    »Der Narr gibt sein halbes Einkommen für Märchen aus«, sagte Sumper. »Ich weiß, er wird ein Erfinder genannt, aber mit solchen Sachen ist kein Geld zu machen.«
    Mit was für Sachen?
    »Sein Waschmaschinenapparat ist lächerlich. Dass Arnaud mir so etwas zeigt, kommt für mich einer Beleidigung gleich. Ich, der ich auf freundschaftlichem Fuße mit Männern der Wissenschaft verkehrte, mit Genies, muss mir wieder und wieder anhören, wie er mir seine Waschmaschine erklärt, weshalb ich nun dazu verdammt bin, ihre Teile bis zu meinem Tode in meinem Kopf mit mir herumzutragen. Der Mann weiß nicht das Geringste über das mechanische Gedächtnis, das noch zu weit größeren Leistungen fähig ist. Dank dieses verfluchten Waldkobolds rattern mir nun Waschmaschinenteile wie Nägel durch den Kopf.«
    Es sei sein persönlicher Ehrgeiz gewesen, fuhr Sumper fort, ohne Atem zu holen, alle fünfundzwanzigtausend Teile von Cruickshanks Maschine im Kopf zu behalten. Damit begann er an jenem Tag, an dem er erfuhr, dass man die Arbeit eingestellt hatte an der unvollständigen Maschine in der Bowling Green Lane im Haus Nummer 40 , in das nun Gerichtsvollzieher drangen, um Schlösser vor die Türen und Anschläge in die Fenster zu hängen.
    Manch ein Drehbankmann dachte, dies sei die Strafe für die Verhöhnung Gottes. »Die wahre Schuldige aber«, sagte Sumper, »war Königin Victoria.«
    Cruickshank hoffte immer noch, sie umstimmen zu können, und aus diesem Grund verbrachte der Meister seine Abende damit, Zeitungsberichte von Schiffsunglücken in einen riesigen Folianten zu kleben.
    Sumper redete pausenlos, schrieb Henry, hörte nie auf, erzählte weiter und weiter, erst recht, so schien es, während eines Schneesturms. Die am Boden zerstörte Catherine Gehrig linste hinab durch die erstarrte Schrift.
    Warum muss ich leiden, hatte Henry Brandling vor langer Zeit geschrieben. Bin ich nicht der Geldgeber?
    Die große Gegnerin der Maschine war die Königin von England, doch war sie nicht allein. Der Königliche Astronom entwickelte einen Hass auf den Apparat. Er tat alles Menschenmögliche, um die Königin und den Prinzgemahl dagegen aufzubringen.
    In dem Vertrauen darauf, sich letztlich durchzusetzen, führte Cruickshank auch weiterhin seine Liste mit den auf See Ertrunkenen. Man müsste schon ein Herz aus Stein haben, wollte man sich nicht von diesen Namen erweichen lassen, den vielen Kindern, Babys im Arm. Sagte

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